Manchmal stopp sagen

Wenn Kirchen nationalistisch missbraucht werden

AUGSBURG (KNA) – „Manchmal muss man sagen: Stoppt die Religion!, wenn sie gegen Menschen gerichtet ist“, sagte Kardinal Reinhard Marx am vergangenen Mittwochabend bei den vom Friedensbüro der Stadt Augsburg verantworteten  „Augsburger Friedensgesprächen“ im Rathaus der Stadt. Religion könne dann ein Teil des Problems sein, wo sie zu Abgrenzung und Nationalismus missbraucht werde.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ergänzte, er glaube, alle Religionen dienten im Kern dem Frieden. „Aber manchmal ist dieser Kern sehr verschüttet.“ Religion dürfe nicht gegen Menschen oder zum Machterhalt missbraucht werden. Sein Gesprächspartner, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erklärte, der Frie­den brauche die Kirche, weil er alle Menschen brauche. Die Kirche inso­fern besonders, als es zu deren DNA gehöre, Versöhnung zu stiften. „Früher wurde die Kirche für ihre Waffensegnung kritisiert“, sagte Bedford-Strohm, heute unter anderem für ihr Eintreten für den Umweltschutz. „Da ist mir Letzteres lieber.“

Zur Rolle der Kirchen in der Gesellschaft meinte der Landesbischof:  „Die Ausstrahlungskraft von Kirche hängt nicht an der Mitgliederzahl.“ Es gehe darum, mit Begeisterung für das Evangelium einzutreten und zu zeigen, dass man als Christ selbst aus dieser Kraft heraus lebe. Es sei derweil natürlich, dass heute weniger Menschen „aus Freiheit“ Kirchenmitglieder seien als früher, da viele es  „aus Konvention“ gewesen seien. Kardinal Marx ergänzte:  „Die Gesellschaft der Freiheit wollen wir nicht verändern.“ Man solle niemanden ausschließen, nur weil er nicht jeden Sonntag in die Kirche komme. „Wo Angst verbreitet wird – vor der Hölle oder was auch immer – , da kann das Evangelium nicht wirken.“ Er sei optimistisch, dass weiterhin Menschen an der Botschaft Jesu interessiert seien. Der Erzbischof von München und Freising betonte:  „Jesus hat nicht gesagt, ihr seid die ganze Suppe. Er hat gesagt: Ihr seid das Salz in der Suppe.“

Mit Blick in die Zukunft sagte der Kardinal unter Verweis auf den Populismus, der aktuell stark sei:  „Werden wir eine offene Gesellschaft bleiben? Ich glaube, das steht auf der Kippe.“ Die Kirche erinnere indes die Menschen daran: „Wir gehören zusammen, wir bewohnen ein Haus.“ Zur Rolle der Frau in der katholischen Kirche erklärte Marx, auf die Aussage des Papstes, bei der Frage der Priesterinnenweihe sei die  „Tür geschlossen“, habe er erwidert:  „Heiligkeit, die Diskussion ist nicht geschlossen.“

Die Augsburger Friedensgespräche fanden unter dem Titel  „Braucht der Frieden die Kirchen?“ erstmals statt. Künftig sollen dabei laut Organisatoren zweimal jährlich Gesellschaftsvertreter über Interkulturalität, Migration, Integration, Diversität und multireligiösen Dialog sprechen. Die Gespräche nehmen Bezug auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Sie sollen das Verständnis für aktuelle Entwicklungen in heterogenen Gesellschaften fördern und neue Perspektiven vorstellen.

15.01.2020 - Bistum Augsburg , Frieden