Ein rätselhaftes Grabmal

Warum wurde Bischof Wolfhard von Roth in Bronze verewigt?

AUGSBURG/OBERROTH – Das Grabmal-Bildnis des Augsburger Bischofs Wolfhard von Roth in der Konradskapelle zieht die Blicke der Dombesucher geradezu magisch an. Seine markanten Gesichtszüge wirken asketisch, streng und würdevoll zugleich und sind von einer schlichten Erhabenheit. Obwohl die Bronzefigur schon mehr als 700 Jahre alt ist, wirkt sie modern. 

Das in Bronze gegossene Grabmal im Chorumgang des Doms dürfte zu den ungewöhnlichsten Bildwerken des 14. Jahrhunderts gehören, aber auch zu den rätselhaftesten unter den Bischofsgräbern (nicht nur) in Augsburg. Wer war der Mann? Was hat ihn so ausgezeichnet, dass er nach seinem Tod – völlig untypisch – in Bronze gegossen wurde? Wie wurde das Kunstwerk bewerkstelligt? Wer hat es gegossen? 

Trotz aller wissenschaftlichen Bemühungen, mehr Licht ins Grabesdunkel zu bringen, weiß man nach wie vor nur wenig über Wolfhard von Roth (1288 bis 1302) und sein Grabmal. Darum hatte sich erst vor kurzem wieder ein interdisziplinäres Forscherteam bemüht.

Monatelang war die Kunsthistorikerin Professorin Rebecca Müller vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte/Bildwissenschaft (Universität Augsburg) in einem interdisziplinären Projekt (gefördert durch die Gerda-Henkel-Stiftung, die Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg und die Altaugsburggesellschaft) den Rätseln um den toten Bischof nachgegangen. Neun hochkarätige Geistes- und Naturwissenschaftler waren daran beteiligt. 

Die Forscher hatten Gussverfahren, Gussfehler und Beschädigungen des Grabmals untersucht, die Buchstabenformen der Inschrift begutachtet. Überraschend: Die so massiv wirkende Bronzeplatte ist eher fragil, was darauf hinweisen könnte, dass das Grabmal im Lauf der Jahrhunderte mehrfach innerhalb des Doms umgesetzt worden ist. Risse, Blasen und eine poröse Oberfläche lassen auf Probleme während des Gusses schließen, andere Spuren spätere mechanische Einwirkungen vermuten. Was sagen sie über das Schicksal der Grabplatte in nachmittelalterlicher Zeit? Fragen, die weiter offen sind.

Was man inzwischen weiß, wurde bei einem Studientag unter dem Titel „Die Bronze, der Tod und die Erinnerung“ vorgestellt. Weshalb wurde gerade Wolfhard von Roth durch ein – auch zu seiner Zeit – so herausragendes Monument geehrt? Im Augsburger Stadtlexikon heißt es über ihn: „Der Bischof stammte aus Oberroth bei Illertissen. Als geschickter Wirtschafter sanierte er die Finanzen des Hochstifts und konnte die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Herzog Rudolf von Bayern (1296/97) durch einen günstigen Friedensschluss beenden. Seine besondere Fürsorge galt dem Dominikanerinnenkloster St. Margareth.“ Professor Thomas Krüger, Augsburg, berichtete über ein bemerkenswert gutes Verhältnis des Bischofs zum Domkapitel und die Vertrauensstellung, die er offenbar genoss. Ob deshalb das Domkapitel als ein Auftraggeber für das in Material und Aufwand so ungewöhnliche Monument in Frage kommt?

Bisher war man davon ausgegangen, dass die markanten Gesichtszüge mit Hilfe einer Totenmaske entstanden. Dagegen sprach sich jetzt Kunsthistoriker Dominic Olariu, Universität Marburg, aus, der medizinische Aspekte wie den Verlauf von Muskelsträngen und Veränderungen des Gesichts nach dem Tod mit Totenmasken verglichen hat. Die Frage ist weiterhin offen.

Offenbar handelt es sich bei dem Hochrelief um die früheste Wiedergabe eines im Ornat bekleideten Toten im deutschsprachigen Raum. Die Bronze ist nicht nur im Augsburger Dom einzigartig, sondern auch anderswo äußerst selten. Kunsthistoriker Gerhard Lutz vom Dommuseum Hildesheim verweist auf Parallelen zur Grabplatte König Rudolfs von Habsburg im Dom zu Speyer und auf eine nicht mehr erhaltene Grabplatte Heinrichs II. von Rotteneck im Regensburger Dom. Was man heute weiß: Alle drei Bischöfe gehörten zu den Förderern von Bettelorden. Lutz regte deshalb an, sich bei der weiteren Forschung auch mit der Verbindung der „Bronzebischöfe“ zu den Bettelorden zu beschäftigen.

Die Signatur: „OTTO ME CERA FECIT CVNRATQUE PER ERA“ lautet die lateinische Inschrift auf der Grabplatte: „Otto hat mich in Wachs gemacht, Cunrat durch
Bronze“. Professorin Müller verweist darauf, „dass Signaturen auf Grabmälern jeden Materials im deutschsprachigen Raum sehr selten sind“. Sie stellt die interessante These auf, dass „die prominente Position der Signatur und der ungewöhnliche Hinweis auf die arbeitsteilige Verarbeitung der Materialien eine Werbestrategie einer auf Folgeaufträge hoffenden Werkstatt“ sein könnte. „Zumal“, so Rebecca Müller, „jeder Hinweis auf die Aufforderung zur Fürbitte, wie er sonst häufig zu finden ist, fehlt.“

Die Signatur des Gießers Meister Konrad führt zu einer weiteren Augsburger Bronze, zur 1299 datierten Konradsglocke von St. Moritz. Lässt sich daraus eine Beziehung der beiden Bronzen herstellen? Oder sind zwei namensidentische Meister anzunehmen? Die Wissenschaftler fanden keinen Beleg für eine einzelne Künstlerhand und verweisen auf die Häufigkeit des Namens Konrad/Cunrat. Der Epigraph Franz-Albrecht Bornschlegel, Ludwig-Maximilians-Universität München, bewertet außerdem „die Buchstabenformen an der Glocke gegenüber denen der Grabplatte als fortschrittlicher.“

Das Fazit: Auch wenn nach dem Augsburger Studientag Fragen zum Grabmal von Roth offen bleiben, sieht Projektleiterin Müller „die weitere Ausarbeitung und Publikation der Forschungsergebnisse als sehr gewinnbringend an“. Dazu wünscht sie sich eine umfassende photographische Neuaufnahme der Grabplatte, „da die vorhandenen professionellen Aufnahmen nur wenige Standardansichten zeigen, die den aktuell diskutierten Aspekten wie Buchstabenformen, Gusstechnik, Übergänge von Gesicht und Hals nicht gerecht werden“. Marilis Kurz-Lunkenbein