Harry Meyer präsentiert im Diözesanmuseum St. Afra Bilder und Skulpturen

Alt und Neu gegenübergestellt

AUGSBURG – Das Diözesanmuseum St. Afra ist wieder geöffnet, und die Sonderausstellung „en face“ wurde bis 23. August verlängert. Sie zeigt eine eindrucksvolle Gegenüberstellung zeitgenössischer Arbeiten mit historischer Kunst aus 17 Jahrhunderten. Die modernen Werke des Künstlers Harry Meyer greifen Formen und Inhalte der Sakralkunst auf, treten mit ihnen in einen Dialog und ermöglichen dem Betrachter, der „en face“ (gegenüber) ist, individuelle Interpretationen.

„Harry Meyer hat sich mit Räumen und Exponaten auseinandergesetzt, sich ganz auf die Sakralkunst eingelassen“, sagte Museumsleiterin Melanie Thierbach bei einem Rundgang mit dem Künstler. Für die Ausstellung habe er bereits vorhandene, überarbeitete und eigens dafür angefertigte Werke zur Verfügung gestellt. Wobei auffällig sei, dass die älteren weniger Farbe aufweisen, die jüngeren sehr bunt sind. 

Die Arbeiten Meyers eröffneten in ihrem Zusammenspiel mit ausgewählten Kunstwerken des Diözesanmuseums neue Blickwinkel auf christliche Themen, erklärte Thierbach. Der Künster habe sich intensiv mit dem christlichen Themenkreis auseinandergesetzt.

Die Glashalle des Museums wurde zu einer begehbaren Installation, die aus dem erhöht am Boden liegenden elfteiligen Kunstwerk „Mare Mysticum“, den zwei neunteiligen Blöcken „Transit“ an den gegenüberliegenden Wänden sowie Schädeln, Köpfen und zwei Gemälden besteht. Inspiriert wurde der Künstler vom ottonischen Bronzeportal aus dem 11. Jahrhundert mit seinen zahlreichen Bildtafeln.

Meyer arbeitet mit sehr pastosem Farbauftrag, schwelgt in Farbe und Material, in Öl und Acryl, so dass seine Bilder fast dreidimensional sind. Durch die Platzierung des „Mare mysticum“ direkt an der großen Glaswand werde das wechselnde Licht in das reliefartige Werk hineingenommen. Aufgrund seiner wellenförmigen Struktur habe es eine hohe Dynamik, erläuterte Eva-Maria Bongardt, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums für die Ausstellung verantwortlich ist. Assoziationen zur Irrfahrt des Odysseus oder biblischen Szenen wie Jona im Bauch des Wals drängten sich auf.

Auf dem Weg zum Bronzeportal kommt man an zwei „Transit“-Stationen vorbei, die aus jeweils neun Teilen zusammengesetzt sind. Daneben hängen 18 kleine Bilder mit Köpfen, die sich durch dicken Farbauftrag vom Untergrund abheben. In der Mitte steht die Installation „Karner“. Es sind Schädel in unterschiedlich weit fortgeschrittenen Stadien der Gestaltung. Das Wort Karner bezeichnet einen überdachten Raum zur Aufbewahrung von Gebeinen. 

Hinter dem Bronzeportal hängen zwei Gemälde mit dem Titel „Innen Leben“, die Meyer zwischen 2015 und 2017 geschaffen hat. Sie bilden die Lebenswelt des Menschen ab, verweisen mit christlich-ikonografischen Motiven wie weißer Taube, Tisch mit Blumen, brennenden Kerzen und Fischen auf das Leben Christi.

Licht als Motiv

Ein zentrales Motiv bei Meyer ist „Lux“, das Licht. Eine neunteilige Arbeit in verschiedenen Blautönen, strahlend oder mit Rot oder Schwarz unterlegt, zieht im zweiten Raum die Blicek des Betrachters auf sich. Daneben hängen Lux-Bilder in Gelbtönen und auf der Empore wurde ein reinweißes Kreisbild neben den auferstandenen Christus aus dem 15. Jahrhundert gehängt. Hier oben sind zudem zahlreiche Grafiken zu sehen, die sich alle mit dem Thema „Köpfe“ beschäftigen.

Darunter entsteht ein Dialog zwischen dem Bild „Baum“ und einer Darstellung der heiligen Afra, die an einen Baumstamm gefesselt ist, sowie zwischen dem breitformatigen „Innen Leben“ und einem Gobelin. „Innen Leben zeigt, wie Bildformate sich über die Zeit manifestieren“, erklärt Meyer die Gestaltung seines Bildes mit der inhaltlichen Dreiteilung.

Die Position von Assistenzfiguren nehmen laut Eva-Maria Bongardt die „Gemini“-Skulpturen des Künstlers ein, die zu Altar- und Vortragekreuzen in die Glasvitrinen gesetzt wurden. Die Bronze „Figurabilitas“ steht schräg vor einem kleinen Kreuz mit Elfenbeinkorpus aus dem frühen 17. Jahrhhundert. Die Skulptur nimmt die Rolle eines unter dem Kreuz trauernden Menschen ein.

In der Ulrichskapelle hat Meyer das Altarbild „Kreuzigung Christi durch die Tugenden“ von Thoman Burgkmair aus der Zeit um 1500 zu einem Triptychon erweitert. Links hängt das Gemälde „Gipfel“, rechts das Bild „Foris“. Ergänzt wird das Ensemble durch „Transit“, „Regen“ und „Sterne“. Blickfang in der Mitte des Raums ist die Skulptur „Figurabilitas“ in leuchtendem Gelb.

„Die Betrachtenden sehen sich zeitgenössischen Kunstwerken gegenüber, die ihnen neue Perspektiven auf christliche Themen und damit veränderte Blickachsen auf die historische Kunst im Diözesanmuseum St. Afra eröffnen. Dadurch können sie sich selbst und ihre Rolle im irdischen und göttlichen Gefüge reflektieren und neu denken“, schreibt Eva-Maria Bongardt im reich bebilderten Ausstellungskatalog.

Roswitha Mitulla 

Infos: Ausstellung „en face“, Diözesanmuseum St. Afra, Kornhausgasse 3-5 in Augsburg, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag von 10 bis 17 Uhr, Sonntag von 12 bis 18 Uhr.