Interview

KDFB bringt Bewegung

AUGSBURG – Der 8. März ist Weltfrauentag, und das wird auch bei den katholischen Frauen gefeiert. Eine Delegation des Diözesanverbandes des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) nahm dies zum Anlass, um die Katholische SonntagsZeitung in der Augsburger Henisiusstraße zu besuchen. Nach einer Präsentation des Verlags durch Geschäftsführer Johann Buchart stellten sich die Diözesan-Vorsitzenden Ulrike Stowasser und Mechthilde Lagleder, Geschäftsführerin Evi Thomma-Schleipfer und Öffentlichkeits-Referentin Elisabeth Böswald-Rid den Fragen der Redaktion.

Der 8. März als internationaler Weltfrauentag rückte im Westen erst vor einigen Jahren wieder stärker in den Blick, nachdem er zuvor stark von sozialistischen Gruppen vereinnahmt worden war. In Berlin ist er jetzt sogar ein Feiertag. Wie begeht der Katholische Frauenbund im Bistum Augsburg den 8. März?

Ulrike Stowasser: In verschiedenen Ortsgruppen des KDFB finden jährlich zum Weltfrauentag Aktionen und Feste statt. Wir sehen den Tag als eine Möglichkeit, zum einen das zu feiern, was Frauen erreicht haben, und zum anderen zu zeigen, dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft noch benachteiligt sind. Aber in diesem Jahr nutzen wir den Weltfrauentag für eine große Aktion auf dem Münchner Marienplatz: Frauen aus ganz Bayern kommen zusammen, um die große KDFB-Kampagne „bewegen!“ zu eröffnen. Soviel sei schon verraten: Es gibt Tanz, Musik und eine politische Diskussion auf einer Bühne vor dem Rathaus. Unter dem Motto „Frauen können alles! bewegen!“ sind alle Frauen aufgerufen mitzumachen. Damit zeigen wir: Der KDFB bringt Bewegung in Politik, Kirche und Gesellschaft. Wir freuen uns schon auf diesen großen Tag, wenn hunderte KDFB-Frauen aus ganz Bayern zusammenkommen.

Das Motto in der Diözese lautet: „Wir machen uns stark für Frauen – Gemeinsam bewegen wir mehr.“ Mit welchen Projekten versuchen Sie, dies in die Wirklichkeit umzusetzen? 

Mechthilde Lagleder: „Wir machen uns stark für Frauen“ bedeutet für uns: Wir greifen Themen auf, wo Frauen benachteiligt sind und es eine starke Lobby braucht, um Veränderungen herbeizuführen. Konkret war dies die Einführung des zweiten Rentenpunktes für Mütter, die durch eine groß angelegte Unterschriftenaktion des KDFB mit anderen Frauenverbänden initiiert wurde. Oder die geringe Vergütung von Frauen in sozialen Berufen wie Erzieherinnen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen etc. Hier schaffen wir die nötigen Plattformen oder Netzwerke, um Ideen und Forderungen zu bündeln und weiterzutragen.

Vor etwas mehr als 100 Jahren – am 12. November 2018 – haben Frauen das Wahlrecht errungen. Ist die Gleichberechtigung seither fortgeschritten – oder eher stagniert? 

Evi Thomma-Schleipfer: Natürlich haben wir Frauen in den vergangenen 100 Jahren viel erreicht, das steht außer Frage. 100 Jahre Wahlrecht, 70 Jahre Gleichberechtigung von Frau und Mann im deutschen Grundgesetz sind erstmal deutliche Fakten. In den 1960er Jahren hat sich durch die Studentenbewegung auch eine starke Frauenbewegung herausgebildet, deren Forderungen weitere Grundsatzentscheidungen einleitete: So dürfen seit 1962 Frauen ein eigenes Bankkonto eröffnen und seit 1977 ohne „Erlaubnis“ des Ehemannes einen Beruf ausüben. 

Nun stellen wir aber fest, dass in wichtigen Bereichen die Gleichberechtigung eher zu stagnieren scheint: Aktuell finden sich beispielsweise im deutschen Bundestag so wenige Frauen wie zuletzt 1994. Auch in Bezug auf die Lohngerechtigkeit sind wir noch nicht am Ziel angelangt: Frauen verdienen im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer, beziehen deutlich geringere Renten und sind somit häufiger von Armut betroffen. Denn aus der Lohnlücke von 21 Prozent wird im Alter eine Rentenlücke von fast 40 Prozent. Das hat viele Ursachen, grundlegend hat es aber damit zu tun, dass Frauen sich in unbezahlten Tätigkeiten wie Haushalt, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen mehr engagieren als Männer. Frauen wenden für unbezahlte (aber gesellschaftlich bedeutende) Arbeiten 60 Prozent mehr Zeit auf als Männer. Hier braucht es eine gerechtere Verteilung und mehr Engagement der Männer, damit sich etwas ändert.

Nicht alles, was Frauenverbände fordern, stößt auf Gegenliebe. In Eichstätt wurde dieser Tage ein Prozess um Frauenparkplätze geführt, weil sie ein Mann als Diskriminierung empfand. Auch der in Hannover verbindlich eingeführte Genderstern löst bei manchen Leuten Kopfschütteln aus. Geraten im Kampf um Frauenrechte manchmal Kampf und Krampf durcheinander, oder gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein der Männerbas­tionen?

Elisabeth Böswald-Rid: Bei diesen Beispielen braucht es den gesunden Menschenverstand und auch eine Konzentration auf das Wesentliche. Was hilft mir der Genderstern, wenn einfachste Grundregeln des sozialen Miteinanders nicht eingehalten werden? Darum geht es dem Frauenbund nämlich über alle Fragen der Gleichberechtigung hinweg: Das solidarische und wertschätzende Miteinander aller Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher Kultur oder Religion. Dazu ist es aber auch wichtig, dass sich Frauen mehr in Bereiche einbringen können, in denen Männer dominieren, in – wie Sie sagen – Männerbastionen. Hier sind gezielte Fördermaßnahmen erfolgreich, die nicht überall auf Zustimmung stoßen. Nehmen Sie die Frauenquote, die viele ablehnen. Letztlich ist sie jedoch eine Erfolgsgeschichte, sie hat den Frauenanteil in männerdominierten Führungskreisen erhöht. Sogar die CSU-Frauen, die sich lange gegen die Quote ausgesprochen haben, befürworten sie nun, weil sie gesehen haben, dass sich ohne sie nichts bewegt.

Katholische Verbände nehmen sich häufig vor, ihre Mitglieder neben der Glaubens- auch in der Alltagswelt zu stärken. Deshalb gibt es bei Ihnen das Bildungswerk. Welche Bereiche sind Ihnen besonders wichtig?

Mechthilde Lagleder: Unser Bildungswerk ist breit aufgestellt und spiegelt unsere Ausrichtung als aktiver Frauenverband in Gesellschaft, Politik und Kirche. Besonders wichtig ist uns, Frauen darin zu bestärken, für ihre Bedürfnisse und Forderungen einzutreten. So laden wir zum Beispiel Experten zu Diskussionsrunden, um zu aktuellen gesellschaftlichen oder frauenspezifischen Themen Stellung zu beziehen und differenziert zur Meinungsbildung beizutragen. Im letzten Jahr haben wir die geringe Entlohnung von Berufen im sozialen Bereich ausführlich beleuchtet. Mit dem Fachtag „Frauen und Finanzen – Altersvorsorge beginnt jetzt“ ist die hohe Bedeutung einer finanziellen Lebens- und Berufsplanung für Frauen in den Blick genommen worden. 

Darüber hinaus haben wir ein breites Angebot im spirituellen Bereich, vor allem die Angebote in der Natur wie Pilgern am Ammersee oder Wandern auf Kraftwegen erfreuen sich großer Beliebtheit. Besonders freuen wir uns in diesem Jahr auf die „Lange Nacht in den Advent“ auf Burg Harburg. Natürlich dürfen auch kreative Angebote nicht fehlen. Einen weiteren Teil der Veranstaltungen stellen Fortbildungen für unsere Führungskräfte dar, damit jede unserer hoch engagierten Frauen in den Vorstandsteams die nötigen Fähigkeiten und Unterstützung erhält. 

Trotz des vielseitigen Angebots sind die Mitgliederzahlen beim Frauenbund zuletzt deutlich gesunken – auch im zweitgrößten Diözesanverband, dem Bistum Augsburg. Welche Ursachen haben Sie ermittelt, was tun Sie dagegen und wie gewinnen Sie neue Mitglieder?

Evi Thomma-Schleipfer: Die Mitgliederzahlen gehen zurück, das ist richtig. In den letzten zehn Jahren hatten wir allerdings einen moderaten Rückgang von ein bis zwei Prozent jährlich. Das ist viel weniger als in anderen Organisationen im katholischen Bereich. Auch in vielen Pfarreien gehen die Gottesdienstbesucher und ehrenamtlich Engagierten deutlicher zurück als im KDFB. Aufgrund der Altersverteilung der Mitglieder wird der Rückgang auch noch weiter anhalten, aber es hindert uns nicht daran, optimistisch in die Zukunft zu blicken. 

Viele Jahre lang war der KDFB ein „Selbstläufer“ und das großartige Engagement unserer Frauen war die beste Mitgliederwerbung. Doch die Lebensumstände junger Frauen haben sich verändert, die Zeit und auch die Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement werden weniger. Trotzdem wissen wir, dass die Themen unseres Verbandes hochaktuell sind und der Wunsch zur Vernetzung weiterhin besteht. Jüngeren Frauen müssen wir noch zeigen, welche Chancen ihnen der Verband bietet. Dazu haben wir unsere Kampagne „bewegen!“ ins Leben gerufen, mit der wir uns gerade in der öffentlichen Wahrnehmung stärker positionieren und neue Zielgruppen ansprechen. 

Was bedeutet das konkret für das kommende Jahr?

Evi Thomma-Schleipfer: 2019 stehen im Bistum Augsburg die Neuwahlen für den KDFB-Diözesanvorstand an. Bis zur Delegiertenversammlung Anfang Mai möchten wir möglichst viele Frauen motivieren, sich für dieses herausfordernde und spannende Amt zur Wahl zu stellen. Neu aufgestellt werden wir dann die Herausforderungen der nächsten Jahre angehen.

Bereits bei Christi Geburt und in der Urkirche ging ohne Frauen gar nichts. Obwohl immer wieder von einer „Männerkirche“ geredet wird, ist auch heute – gerade auf dem Land – Kirche ohne Frauen undenkbar: Sie leiten die Pastoralräte, wirken als Mesnerinnen und betreuen musikalische und liturgische Dienste. Genügt Ihnen das?

Ulrike Stowasser: Ohne uns Frauen wären die Kirchen ganz schön leer. Zur Zeit leisten Frauen in der Kirche enorm viel und sind im Laiendienst eine unerlässliche Stütze. Oft fühlen sich die Frauen aber nicht anerkannt und wertgeschätzt in ihrem Engagement für die Kirche. Wir stellen fest, dass sich teilweise großer Frust unter den in den Pfarreien jahrelang engagierten Frauen breit macht und sie der Kirche den Rücken kehren. Jüngere Frauen lassen sich zunehmend weniger auf die ihnen in der Kirche zugewiesenen Rollen und Plätze ein. Sie engagieren sich lieber woanders, wo ihnen mehr Wertschätzung entgegen gebracht wird. 

Der Auszug der Frauen aus der Kirche hat längst begonnen. Das finden wir sehr schade und deshalb fordern wir eine größere Beteiligung von Frauen an kirchlichen Diensten und Ämtern. Wir wünschen uns, dass Frauen noch stärker in die kirchlichen Ämter eingebunden werden. Und auch wenn es noch ein weiter Weg ist – die Forderung nach Frauendiakonat und Weihe sind im KDFB fest verankert.

Ein weltbekanntes Gebet rühmt und ehrt die erste ganz starke Frau der Christenheit. Wird auch beim Frauenbund manchmal der Rosenkranz gebetet?

Mechthilde Lagleder: Maria ist im KDFB eine zentrale Figur und starkes Vorbild. Um sie rankt sich das religiöse und spirituelle Leben in den Zweigvereinen. Rosenkränze werden gebetet, natürlich, besonders auf Wallfahrten, aber auch in zahlreichen Andachten und Feiern.

Überhaupt spielen biblische Frauenfiguren eine große Rolle im religiösen und spirituellen Leben des KDFB. Auf allen verbandlichen Ebenen schätzen wir die Lebensgeschichten dieser Frauenfiguren und schöpfen daraus Kraft und Energie. Oft haben unsere Frauen diese erst im KDFB kennengelernt, da sie in den Gottesdiensten kaum eine Rolle spielen. Sowohl alte als auch neue liturgische Formen werden im Verband gelebt, es gibt eine Vielfalt an religiösen und spirituellen Ausdrucksformen. Das macht den Verband lebendig für viele Frauen unterschiedlichen Alters und gibt ihnen Tiefe in ihrem Leben.  

Interview: Barbara Lang, Johannes Müller, Gerhard Buck

27.02.2019 - Bistum Augsburg , Hintergrund