Betriebsseelsorge

Sehnsucht nach der Religion

AUGSBURG – Die Zeiten, in denen die Mitglieder der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) von Gewerkschaftern spöttisch als Herz-Jesu-Gewerkschafter tituliert wurden, sind vorbei. Georg Steinmetz, neuer Leiter der Beriebseelsorge der Diözese und Diözesanpräses der KAB spricht von „unglaublicher Kollegialität und Freundschaft“, wenn er das gegenseitige Verhältnis der beiden Organisationen beschreibt. 

Steinmetz, der ständiger Diakon der Diözese Augsburg ist, wird immer wieder eingeladen, bei Streiks, drohenden Betriebsschließungen und auf Gewerkschaftskundgebungen zu sprechen. So auch letztes Jahr am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, wo er in Konstein auftrat. Heuer sind wegen der Corona-Pandemie alle Maikundgebungen abgesagt. Man begegnet sich auf Augenhöhe, weil Gewerkschafter Mitglied in der KAB geworden sind und umgekehrt KAB’ler Gewerkschaftsmitglieder sind. So sind Steinmetz und sein Vorgänger Erwin Helmer zum Beispiel Mitglied in der IG Metall. Wenn die beiden auf Kundgebungen reden, dann horchen die Beschäftigen auf. „Das war anders als die Reden der Politiker“, wird ihnen rückgemeldet.

Seit über 30 Jahren wohnt Steinmetz in Bayern. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Geboren und aufgewachsen ist er jedoch in Hamm/Westfalen. 1983 machte er dort eine Lehre zum Betriebsschlosser. Anschließend sattelte er noch eine Orgelbaulehre drauf. Der Orgelbau brachte ihn nach Dillingen, wo er 1992 die Meisterprüfung ablegte und bis 2000 in der Konstruktion der dort ansässigen Firma Orgeln plante. Dann ging es wieder in den Maschinenbau nach Altenmünster und nach Höchstädt.

2009 wurde Steinmetz geweiht und wirkte fünf Jahre als Diakon im Zivilberuf in Dillingen. Während seiner Ausbildung zum Diakon lernte er Betriebsseelsorger kennen und spürte, dass ihn das Thema packte. Er gründete mit Thomas Hoffmann den Arbeitskreis „ALG 3“, was nicht Arbeitslosengeld, sondern „Arbeit, Leben, Glauben – drei, die zusammengehören“ bedeutet. „Ich wollte im Betrieb nicht missionierend, aber mit einer missionarischen Haltung aus dem Glauben da sein“, berichtet Steinmetz. So sei es ihm möglich geworden, auch an Menschen, „die nicht mehr so nah an der Kirche dran sind“, her­anzukommen.

Von 2014 bis 2018 wirkte er dann als hauptberuflicher Diakon in der Pfarreiengemeinschaft Aschberg. Gerne erinnert er sich an das Exultet, das er als Diakon in der Osternacht gesungen hat, und an die Liturgien in Seniorenheimen. Dass er dazu jetzt nicht mehr kommt, das empfinde er schon als „kleinen Schmerz“. Denn Mitte Juli 2018 wurde Georg Steinmetz zum Diözesanpräses der KAB gewählt. Damit übernahm er auch die Leitung der Betriebsseelsorge und der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ). 

Ein Herzensanliegen ist Steinmetz die Seelsorge für die Fernfahrer. Er spüre bei ihnen eine unglaubliche Sehnsucht nach Religion, auch wenn mancher von ihnen aus der Kirche ausgetreten sei. Er und seine Kollegen würden gerne einen Truck mit einem Besprechungsraum, einem Café und eventuell mit Duschmöglichkeiten anschaffen. Ein weiteres Thema ist für ihn die sogenannte Flexibilisierung der Arbeitszeit. Von den Mitarbeitern werde Flexibiltät in allen Richtungen erwartet, während manche Firmen selbst flexibel „wie ein großer Tanker“ seien, hat er beobachtet. 

Drei Jobs um zu überleben

Bei Beschäftigten in der Raum­pflege denkt er an die ungerechte Bezahlung. In der Lohngruppe eins würden 10,80 Euro pro Stunde bezahlt. Die bräuchten dann zwei bis drei Jobs, um über die Runden zu kommen, gibt er zu bedenken. Die negativen Seiten der Globalisierung erfährt er, wenn Firmen nach China oder Japan verkauft werden und von dort aus „in die deutsche Arbeitswelt hineinregiert wird“.

Um sich von all den Problemen nicht niederdrücken zu lassen, nütze ihm seine Resilienz (Widerstandsfähigkeit), sagt Steinmetz. Außerdem helfe ihm die Supervision und auch die geistliche Begleitung. Bei seiner Arbeit in der Obdachlosenkirche Gubbio in Köln hat der Betriebseelsorger Menschen mit einer „geerdeten Spiritualität“ kennengelernt, auf die er sich besinnen kann. 

Eine wichtige Botschaft sei für ihn, „dass wir ohne Angst leben dürfen, weil wir als Christen in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen sind“. Und weil ihn schon manche treue Hundeseele begleitet hat, „möchte ich in einen Himmel, wo auch Hunde sind“, bekennt der Betriebsseelsorger. Gerhard Buck

01.05.2020 - Bistum Augsburg