Bayerisches Tanzen

Von Landler bis Polka: Der Dießener Magnus Kaindl zeigt, wie es geht

DIESSEN – „Auseinand’ und wieder z’amm, dann kommt ein einfacher Schritt, der Dreher, eins, zwei – eins, zwei …“, erklärt Tanzmeister Magnus Kaindl aus Dießen. Der 38-Jährige kann wirklich gut erklären und für jemanden, der mit Volkstänzen keine Erfahrung hat, ganz neue Erlebnisräume öffnen, sagen die Teilnehmer seiner bayerischen Tanzkurse.

Kaindl, der auch Vorsitzender des Heimat- und Trachtenvereins d’ Ammertaler Dießen – St. Georgen ist und hauptberuflich im Kulturreferat von München als Leiter der Volkskultur arbeitet, holt die Leute im digitalen Social­Media-Alltag buchstäblich auf den Boden, den bayerischen Tanzboden. Er begleitet seine Tanzschülerinnen und -schüler in kleinen Gruppen bis zu Tanzböden mit mehreren hundert Tanzlustigen oder Großveranstaltungen mit bis zu 15 000 Menschen charmant durch überlieferte Musikwelten hinein in tradierte Bewegungsabläufe, Rhythmen und Taktwechsel: „Die Herren, die jetzt führen, gehen in die Mitte, die Damen nach außen mit einem Wechselschritt. Kaindl tanzt vor und fordert auf: „Und jetzt macht’s alle gleich mit und auf geht’s!“ Ehe sich die Lernwilligen umschauen, sind sie schon mitten drin im bayerisch Tanzen.

„Ich war erstaunt, wie schnell das alles ging. Und darüber, dass es keine Kreistänze waren und man eine Partnerin braucht. Aber zum Glück findet man ja bei solchen Veranstaltungen immer jemanden“, berichtet ein Teilnehmer. Was früher der letzte Schrei auf dem bayerischen Tanzboden war, zu der Zeit, als in jedem Dorf die Tanzmusik am Samstagabend aufspielte, ist wieder da: Das „Ländlerisch Tanzen“, wie es Kaindl bezeichnet und heute als „bayerisch Freestyle“ vermittelt: freie Tanzformen, die sich auf viele überlieferte Tanzmelodien anwenden lassen. Dabei geht es weniger um eine korrekte Tanzchoreografie klassischer Volkstänze, sondern um die individuelle Selbstständigkeit der Tanzpaare, eigene Tanzfiguren und Abfolgen zu entwickeln.

Die neue Freiheit braucht kaum Regeln und ist unter Anleitung schnell gelernt. Wichtige Elemente sind die Grundschritte klassischer Tänze, weil sich beim Ländlerisch Tanzen vom Landler- und Walzertakt bis zur Polka die Tanzformen und Rhythmen vermischen. Der Tanzmeister spricht vom Versuch, die Tanzkultur von einst mit neuen Formen zu aktualisieren. Da gehören auch die vielfältigen Armwickel- und Drehfiguren, aber auch Klatschen und Stampfen dazu, die unter seiner Anleitung einstudiert und von den Tanzpaaren weiterentwickelt werden.

Für Magnus Kaindl, der als echtes Trachtenkind in eine Trachtenfamilie hineingeboren und mit Musik, Lied und Tanz aufgewachsen ist, zählt die Traditionspflege zum Leben: „Heute geht es darum, die Tradition an die Leute zu bringen.“ Beim Tanzen, zeitgenössisch interpretiert und wahrgenommen, könne vor allem auch die Jugend mit der Überlieferung bekannt gemacht werden. Mit seinen Denkansätzen und Handlungen, die weit über seine Ammersee-Heimat hinausreichen, gehört Magnus Kaindl zu jenen Trachtlern, die täglich modernes Trachtenwesen leben.

Momentan stellt er wieder eine die Kontinente übergreifende „Yodelling-Woche“ in München auf die Beine. Mit seiner Musikgruppe, den Saitenschindern, ist er oft unterwegs, die er als Jugendlicher vor mehr als 20 Jahren als volksmusikalische Herausforderung gegründet hat und damit auch Volksmusiken aus jahrhundertealten Notenhandschriften neu arrangiert. 

Schluss mit der Tanzerei

Doch jetzt ist erstmal Schluss mit der Tanzerei, „Kathrein stellt den Tanz ein“, zitiert Kaindl eine alte Regel. Der Kathrein-Tanz beendet am letzten Samstag vor dem 25. November die traditionelle Tanzsaison im Sinne der Volkskultur. Danach beginnt der Advent, wo früher gefastet wurde und nicht getanzt werden durfte.

Gepflegt wird dieses Brauchtum in den deutschsprachigen Alpenländern und im fränkischen Raum. Die Bezeichnung geht auf die heilige Katharina von Alexandrien zurück, die zu den 14 Nothelfern gezählt wird.Ihr Gedenktag, der 25. November, ist eines der letzten Heiligenfeste vor dem Advent. Der Advent dient (analog zur Fastenzeit vor Ostern) als Bußzeit und sogenannte geschlossene Zeit zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. In diesen Zeiten waren früher öffentliche Tanzveranstaltungen verboten. Vom Kathreintag bis einschließlich Weihnachten, in manchen Regionen sogar bis Dreikönig, ist der Volksmund sicher: „Bass und Geigen bleiben eingesperrt.“ Beate Bentele