Viktor Josef Dammertz ist im Alter von 90 Jahren in St. Ottilien gestorben

Am Lebensziel angekommen

ST. OTTILIEN – „Auf der Zielgeraden“ fühlte sich Bischof em. Viktor Josef Dammertz, als er seinen 85. Geburtstag beging. Doch dies war, so sollte sich erweisen, noch eine beträchtliche Weg-
strecke. Am frühen Morgen des 2. März ist der Missionsbenediktiner und emeritierte Augsburger Bischof im Alter von 90 Jahren in der Abtei St. Ottilien gestorben.

Seine letzten Lebensjahre war Bischof em. Dammertz gesundheitlich eingeschränkt. Der Rücken  schmerzte zunehmend, das rechte Auge war erblindet. Doch seiner Lebensbejahung und seinem feinsinnigen Humor tat dies keinen Abbruch. Er wollte „alt werden mit jungem Herzen“.

Den Ruhestand genoss er bei den Missionsbenediktinerinnen in Dießen am Ammersee – „in meinem persönlichen Castel Gandolfo, nicht am Albaner See, aber in St. Alban am See“, scherzte er. Von seinem Balkon aus konnte er den Blick über den See hinüber zum Kloster Andechs und gen Süden bis zu den Alpen schweifen lassen. 

Als sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechterte, zog er 2015 wieder zu den Mitbrüdern ins Kloster St. Ottilien. Er hatte den Missions-
benediktinern dort von 1975 bis 1992 als Erzabt und weltweit als Abtprimas vorgestanden. 

„Gut bei Fuß“

Josef Dammertz wurde am 8. Juni 1929 in Schaephuysen am Niederrhein (Diözese Münster) geboren. Dort wuchs er mit seiner jüngeren Schwester Marga auf. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Moers. „Der weite Schulweg zu Fuß und mit der Bahn war eine Herausforderung, hat aber wohl mit dazu beigetragen, dass ich ein Leben lang ,gut bei Fuß‘ geblieben bin“, sagte er. 

Schon bald reifte in ihm der Wunsch, Priester zu werden. „Meinem katholischen Elternhaus verdanke ich dabei sehr viel“, erinnerte er sich. Prägend war auch eine Jugendgruppe des Bundes Neudeutschland, die sich unter Leitung des Priesters und Religionslehrers Ferdinand Peus in Moers zu Diskussionen, Vorträgen und Fahrten traf. 

Auf den Benediktinerorden wurde Dammertz aufmerksam, als ihm ein Freund aus der Jugendgruppe über das Leben im Kloster Gerleve (Nordrhein-Westfalen) berichtete. Nach dem Abitur im Jahr 1950 verbrachte er einige Tage dort. Dann nahm er ein Theolgiestudium in Münster auf. Doch schon nach dem ersten Semester zog es ihn zum Studium an die Hochschule der Jesuiten in Innsbruck, wo er Vorlesungen von Karl Rahner, Hugo Rahner und Josef Andreas Jungmann hörte. 

Die Missionsbenediktiner in St. Ottilien lernte der junge Theologiestudent an Pfingsten 1953 bei einem Besuch der Abtei kennen. Der Gedanke, in die Mission zu gehen, reizte ihn, und so trat er schon im Herbst des gleichen Jahres, am 12. September 1953, als Novize in den Konvent ein und nahm den Ordensnamen Viktor an. 

Anschließend studierte er Theologie in Rom. An der Ordenshochschule in Sant’ Anselmo begegnete er Studenten aus aller Herren Länder und erlebte eine Zeit, an die er sich stets gerne zurück-
erinnerte. 

Am 16. September 1957 feierte Viktor Josef Dammertz seine Ewige Profess in St. Ottilien. Fünf Tage später weihte ihn der damalige Augsburger Bischof Joseph Freundorfer zum Priester. Aus dem Traum, nun endlich in die Mission zu gehen, wurde aber nichts. 

Stattdessen schickte der damals amtierende Erzabt von St. ­Ottilien, Suso Brechter, den jungen Ordensmann für weitere Jahre zum Studieren. Dammertz besuchte die Universität in München, wo er sein Studium 1962 mit der Promotion abschloss. Sein Traum, in der Welt zu wirken, erfüllte sich auf eine andere Art: Erzabt Suso machte Pater Viktor zu seinem persönlichen Sekretär. „Mit ihm bin ich weit herumgekommen, habe viel gesehen von der Welt, hatte aber noch nicht die Last der Verantwortung“, sagte Dammertz später über diese „schönste Zeit meines Lebens“. Als General­sekretär der Benediktinerkongregation reiste er zu deren ­Frauen- und Männerklöstern in Europa, Afrika, Asien und Amerika.

Rege Reisetätigkeit

1975 wurde Pater Viktor durch Bischof Josef Stimpfle zum Erzabt von St. Ottilien benediziert. „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ traf ihn knapp drei Jahre später die Wahl zum Abtprimas der weltweiten Benediktinischen Konföderation mit Sitz in Rom. Eine Aufgabe, die ihn wiederum zu einer regen Reisetätigkeit verpflichtete. Er besuchte die Benediktinerklöster rund um den Globus. 

Nach diesen vielen bewegten Jahren wollte sich Abtprimas Viktor 1992 für einige Zeit nach St. Ottilien zurückziehen, wo er 63-jährig meinte, sein „Arbeitspensum etwas drosseln“ zu können. Doch es kam in seinem Leben wieder einmal ganz anders als geplant. Dammertz hatte die Koffer in St. Ottilien noch nicht ausgepackt, als ihn kurz vor Weihnachten ein Ruf aus Rom erreichte: Er sollte Bischof von Augsburg werden!

„Der Mensch dachte, Gott lachte“, sagte Bischof Dammertz rückblickend über diese erneute überraschende Wende in seinem Leben. Ausflüchte, die er machte („Ich bin zu alt“), ließ der Nuntius nicht gelten. Nach einer Nacht Bedenkzeit sagte er zu.

Am 30. Januar 1993 wurde Viktor Josef Dammertz von Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter zum Bischof geweiht. Bis 2004 stand er der Diözese vor. In den elf Jahren seiner Amtszeit als Augsburger Oberhirte brachte er die Bildung von Pfarreien-
gemeinschaften in Gang und ordnete die Pastoral an der Gebetsstätte Marienfried neu. Er initiierte den Bischöflichen Hilfsfonds Pro Vita für schwangere Frauen in Not und richtete die kirchliche Schwangerenberatung im Bistum neu aus. 

Mit dem Augsburger Oberbürgermeister Peter Menacher und dem evangelisch-lutherischen Kreisdekan Ernst Öffner unterzeichnete Bischof Viktor Josef 1999 die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ und stärkte damit die Ökumene. Zudem unterstützte er das Verfahren zur Seligsprechung von Johann Evangelist Wagner sowie die Heiligsprechung von Crescentia Höß. 

„Ich war gerne für euch Bischof“, sagte Dammertz zu seiner Emeritierung im Augsburger Dom. Und: „Bräuchte ich nur in den Jungbrunnen zu steigen, um wieder 20 zu werden, ich täte es nicht.“ 

Barbara Lang

Information 

Am Freitag, 6. März, wird um 15 Uhr ein Rosenkranz in der Marienkapelle des Augsburger Doms gebetet, um 16.30 Uhr schließt sich ein Kreuzweg an. Nach der Totenvesper um 18 Uhr wird der Sarg in der Gertrudkapelle geschlossen. Das Requiem mit Kardinal Reinhard Marx und  Diözesanadministrator Bertram Meier findet am Samstag, 7. März, um 9.30 Uhr im Dom statt. Ein Kondolenzbuch liegt aus.