Bischof Rudolf zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über „selbstbestimmtes Sterben“

Wird Sterben Pflicht?

REGENSBURG (pdr/sm) – Am Aschermittwoch, an dem das Auflegen des Aschenkreuzes an die Vergänglichkeit eines jeden Menschen erinnert, hat Bischof Rudolf Voderholzer Stellung bezogen zum jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. 

Das Bundesverfassungsgericht sieht ein Recht auf „selbstbestimmtes Sterben“ und hat deshalb den Paragrafen 217 für nichtig erklärt. Dieses sogenannte Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe „die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe. Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe ist damit nichtig.

Das Leben ist unverfügbar 

Mit großer Sorge auf dieses Urteil blickend, betonte Bischof Voderholzer in seiner Predigt beim Pontifikalamt zur Eröffnung der österlichen Bußzeit in der Regensburger Niedermünsterkirche, dass jedes „Leben unverfügbar ist“. Die Gefahr bestehe nun, dass das gesellschaftlich weit verbreitete Pochen auf „Selbstbestimmung“ umschlage in eine totalitäre Fremdbestimmung. Ein immenser gesellschaftlicher Druck könne sich entwickeln. Was geschehe, wenn auf alte und kranke Menschen der Erwartungsdruck ausgeübt werde, den Angehörigen oder dem Staat nicht zur Last zu fallen? Sollten sie ihren „Platz räumen“, um Kosten zu sparen? In diesem Kontext zitierte Bischof Voderholzer den Palliativmediziner Thomas Sitte: „Wer Sterbehilfe erlaubt, macht über kurz oder lang Sterben zur Pflicht.“

Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gewinne die christliche Verantwortung eine neue Dimension, sagte der Bischof: „Wer Humanität schützen will, muss dafür eintreten, dass aktive Sterbehilfe unter keinen Umständen in Frage kommt.“ Es müsse sich nach Kräften dafür eingesetzt werden, die Möglichkeiten der Palliativmedizin auszuschöpfen. Die Hospizbewegung müsse um ein Vielfaches gefördert werden, auch was die öffentliche Wahrnehmung betreffe.

Bischof Voderholzer berichtete von seinen Erfahrungen, dass der Ruf nach aktiver Sterbehilfe in den meisten Fällen getragen sei von der Angst vor Schmerzen oder Einsamkeit. Ohne Zweifel sei die Angst, am Lebensende auf Mitmenschen angewiesen zu sein, unter Schmerzen zu leiden oder alleingelassen zu werden, bei vielen Menschen präsent. Sie müsse ernst genommen werden. Sterbenden müsse die bestmögliche palliativmedizinische und menschliche Hilfe angeboten werden. Aktive Sterbehilfe könne aber nicht die Lösung sein.

Leben als Geschenk sehen

Bischof Voderholzer dankte deshalb allen, die sich in der Pflege sterbender Menschen einsetzen, und erinnerte an das Beispiel der heiligen Mutter Teresa. 

Für die bevorstehende Fastenzeit, die 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern, lud Bischof Voderholzer die Mitfeiernden in der Regensburger Niedermünsterkirche ein, wieder vermehrt in den Blick zu nehmen, dass das Leben ein Geschenk ist. Jede Aufmerksamkeit für alte, kranke oder bedürftige Menschen, jeder Anruf, jede Zuwendung, jeder Besuch am Krankenbett sei ein Werk der Barmherzigkeit.