Grußwort von Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz,

"Und es geht darum, Traditionen des Friedens wiederzuentdecken und hervorzuheben..."

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe muslimische Gäste,

es freut mich sehr, Sie heute, beim vierten Jahresempfang der Deutschen Bischofskonferenz für die Partner im christlich-islamischen Dialog willkommen heißen zu können! Ein besonderer Gruß gilt allen, die im Theologischen Forum Christentum und Islam mitwirken. Durch Ihre theologische Netzwerkarbeit leisten Sie seit mittlerweile 20 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung des christlich-islamischen Dialogs. Es ist schön, dass der Jahresempfang der Bischofskonferenz und die Jahrestagung des Theologischen Forums dieses Jahr zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden. Ebenso begrüße ich alle, die sich mit viel Herzblut und großer Beharrlichkeit im Dialog zwischen Christen und Muslimen engagieren – hier in Stuttgart und überall in unserem Land. Durch Ihr Engagement zeigen Sie: Dialog ist keine Schönwetterveranstaltung, sondern wird gerade in Krisenzeiten mehr denn je gebraucht.

Im Mittelpunkt unseres diesjährigen Empfangs steht ein Gespräch zwischen Pater Dr. Anselm Grün OSB (Abtei Münsterschwarzach) und Professor Dr. Ahmad Milad Karimi (Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster). Mit ihrem Buch Im Herzen der Spiritualität1 haben sich beide gemeinsam auf den Weg gemacht, die Möglichkeiten und Grenzen eines spirituell geprägten Dialogs zwischen Christen und Muslimen auszuloten. Dabei ist ihre Motivation keineswegs „vergeistigt“ oder weltfremd. Vielmehr lautet ein Leitgedanke: Ohne den Frieden der Religionen ist insgesamt kein Frieden

möglich. Es geht Ihnen beiden, lieber Pater Anselm und lieber Professor Karimi, letztlich um ein echtes Verständnis zwischen Christen und Muslimen, die einander als Gläubige begegnen.

„Der Glaube lässt den Gläubigen im anderen einen Bruder sehen, den man unterstützt und liebt.“2 Im Nächsten einen Bruder und eine Schwester sehen – so lautet die zentrale Botschaft des historischen Dokuments, das Papst Franziskus und Großimam Ahmad al-Tayyib am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi unterzeichnet haben. Dieses Jahr hatte ich die Gelegenheit, auf Einladung des Muslimischen Ältestenrats an interreligiösen Feierlichkeiten teilzunehmen, die rund um den vierten Jahrestag dieses historischen Treffens in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgehalten wurden. Dabei konnte ich feststellen: Auf dem Pfad der Toleranz, den der Papst und der Großimam eingeschlagen haben, ist mittlerweile eine vielfältige globale Gemeinschaft unterwegs – Menschen unterschiedlicher Kulturen und Generationen, die sich für Frieden, Religionsfreiheit, Bürgerrechte, Bewahrung der Schöpfung und weitere Zukunftsthemen der Menschheit einsetzen, inspiriert durch das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen. Es geht darum, mit dem Nächsten in Beziehung zu treten, multilaterale Allianzen der Geschwisterlichkeit und Solidarität zu schmieden, dem Wohl unseres gemeinsamen Hauses zu dienen. Und es geht darum, in den Religionsgemeinschaften Traditionen des Friedens wiederzuentdecken und hervorzuheben, wie vorhin bei unserem Abendgebet, als wir die Texte von Franz von Assisi und Yunus Emre hörten.

In seiner Enzyklika Fratelli tutti, die in weiten Teilen auf dem interreligiösen Abu-Dhabi- Dokument basiert, hat Papst Franziskus es auf den Punkt gebracht: Die Religionen stehen „im Dienst an der Geschwisterlichkeit in der Welt“. Die Zielperspektive ist „ein gesellschaftlicher Zusammenhalt ..., der niemanden ausschließt, und eine Geschwisterlichkeit, die für alle offen ist.“3 Damit erteilt der Papst allen Versuchen, Religion als Mittel der Spaltung und Ausgrenzung einzusetzen, eine deutliche Absage. Dies kann auch uns aufs Neue ermutigen, Handwerker der Gerechtigkeit und des Friedens zu werden.

In Abu Dhabi befindet sich direkt neben der katholischen Sankt-Josephs-Kathedrale eine Moschee mit dem schönen Namen „Maria, Mutter Jesu“. Jesus, Joseph und Maria, im Stadtraum interreligiös verbunden – das scheint mir ein aussagekräftiges Bild für die Verwandtschaft zwischen unseren beiden Religionsgemeinschaften zu sein. Unser Dialog- Empfang findet auch in diesem Jahr in zeitlicher Nähe zum Hochfest „Mariä Verkündigung“ statt, das die Kirche am 25. März – genau neun Monate vor Weihnachten – feiert. Das Evangelium berichtet davon, dass der Erzengel Gabriel Maria die Botschaft von ihrer Schwangerschaft überbringt. Das heißt: Durch den Engel erfährt Maria, dass sie Gnade bei Gott gefunden hat und Gottes Wort in sich trägt. Maria wird zur Mutter des Herrn.

Im Islam ist der Engel Gabriel (arabisch: Dschibril) ebenfalls wohlbekannt. Und auch in der islamischen Tradition wirkt er daran mit, dass die göttliche Botschaft ihren Weg in die Welt findet. Sicherlich sind die Offenbarungsvorstellungen in Christentum und Islam sehr unterschiedlich. Aber in beiden Religionen hängt vieles davon ab, dass die Worte des Engels wahr- und ernstgenommen werden. Marias Offenheit für das Wort Gottes kann uns auch heute dazu inspirieren, auf Gott und den Nächsten zu hören. Dialog lebt davon, einander zuzuhören.

Mein Dank gilt allen, die den heutigen Dialog-Empfang durch ihr Mitwirken ermöglichen: Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Tagungszentrums, von CIBEDO und aus dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz seien hier vor allem unsere beiden Referenten, Pater Anselm und Professor Karimi, die Moderatorin Manuela Pfann (Katholische Rundfunkarbeit am SWR) sowie die beiden Musiker Ali und Mehmet Ungan (Orientalische Musikakademie Mannheim) genannt.

Ich wünsche uns allen gute, anregende Gespräche und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

1 Vgl. Anselm Grün OSB und Ahmad Milad Karimi: Im Herzen der Spiritualität. Wie sich Muslime und Christen begegnen können (Freiburg 2019).

2 Papst Franziskus und Großimam Ahmad al-Tayyib, Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt, Vorwort.

3 Papst Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti, Überschrift von Kap. 8 und Nr. 94.

21.03.2023 - Bischöfe , Islam , Religionen