Grußwort von Diözesanbischof Dr. Bertram Meier anlässlich der Tagung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am 28. März 2023

„Den Wahrheiten der anderen in der Wahrheit der eigenen Kirche Raum geben“

Liebe Schwestern und Brüder,

sehr geehrte Frau Präsidentin, 

es ist für mich Freude und Ehre, dass ich heute im Namen der Freisinger Bischofskonferenz mit Kardinal Reinhard Marx an der Spitze das Wort an Sie richten darf. Ich wünsche Ihnen die Gaben des Hl. Geistes, die uns allen verheißen sind. Denn sie sind die Grundlage für ein gelingendes Miteinander unter uns Christinnen und Christen. Wir stehen kurz vor dem Höhepunkt des Kirchenjahres. Da ist es gut, sich Freiräume für Gott zu schaffen, für regeneratio und renovatio, um nur zwei wesentliche Aspekte Ihrer Pneumatologie zu nennen.

Ich freue mich, einmal wieder bei einer Landessynode zu Gast zu sein – als ehemaliger Vorsitzender der ACK Bayern entdecke ich hier viele vertraute Gesichter und erinnere mich gerne an gemeinsame Projekte und Wegstrecken. Das Wegmotiv hat in unseren Kirchen seit einiger Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen. 

Wo führt unser Weg hin? Sind wir noch in der Spur dessen, der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6)? 

Sie wissen, dass sich mit Papst Franziskus auch die katholische Kirche wieder an ihre synodale Gestalt erinnert. Der Prozess des Synodalen Weges in Deutschland hat erst vor wenigen Wochen einen vorläufigen Abschluss gefunden; er wird dann, so hoffen wir, im Oktober in die Weltsynode einmünden – wie die zahlreichen anderen synodalen Aufbrüche weltweit. 

Nicht nur ich verspreche mir von diesem Prozess auch einen kräftigen Impuls für die Ökumene, ganz im Sinn des Mottos, unter das die kontinentale Etappe der Weltsynode gestellt wurde: „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2).

Weite einerseits und feste Pflöcke andererseits: Beides gehört zusammen. Weite und Festigkeit gehören in jeden ehrlichen Dialog. Sie ergänzen und befruchten sich gegenseitig. An uns Kirchenvertreter richtet sich der Prophet, wenn er sagt: „Mach den Raum deines Zeltes weit!“

Für die Ökumene wünsche ich mir, dass wir die Spannung zwischen großer Weite und festen Pflöcken aushalten. Johannes Paul II. hat es einmal so formuliert: „Man muss von einer Position des Gegeneinanders und des Konflikts auf eine Ebene gelangen, auf der man sich gegenseitig als Partner anerkennt. (…) Um das zu verwirklichen, muss das zur Schau getragene Sich-Gegeneinander-Stellen ein Ende haben.“ (Ut unum sint, Nr. 29).

Ich selbst bemühe mich deshalb gerade jetzt in der Vorbereitung auf Ostern um eine Verbal-Abrüstung, auch in der Ökumene. Wohlwollend, nicht polemisch, einfühlsam, nicht von oben herab, empathisch, nicht arrogant möchte ich meinen Gesprächspartnern begegnen. Gespräche sind Räume zum Wachsen. Vielleicht wäre es eine gute Möglichkeit zum eigenen Wachstum, den Wahrheiten der anderen in der Wahrheit der eigenen Kirche Raum zu geben. Dann würden wir weniger ausgrenzen, sondern einander bereichern. Katholisch heißt ja: gemeinsam in die Fülle der Wahrheit hineinwachsen.

Ich wünsche Ihnen für Ihre Synode „Räume zum Wachsen“ – im Gespräch, im Leben, im Beten. Und ökumenisch wünsche ich uns allen: Machen wir den Raum unserer Zelte, unserer Kirchen, weit!  

In den nächsten Jahren erwarten uns Gedenkmomente, die Schrittmacher für die Ökumene sein können. Vor drei Jahren hat die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland beschlossen, das 1.700-jährige Jubiläum des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa mit allen christlichen Kirchen zu feiern. 2025 ist zudem ein Heiliges Jahr in der katholischen Kirche, das unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht. 

Und schließlich – Sie wissen es alle – steht 2030 das 500-jährige Jubiläum der Confessio Augustana an, das mir als Bischof von Augsburg besonders am Herzen liegt. Wie schon 2017 hoffe ich auf ein Fest der Versöhnung und der gemeinsamen Neuausrichtung auf Christus. Christus ist es, der uns treibt.

30.03.2023 - Bischof , Ökumene