Predigt zum Abschluss der Kirchenrenovierung St. Alban in Walkertshofen / Stauden am Sonntag, den 3. Oktober 2021 von Bischof Dr. Bertram Meier

„Ihr Christen seid das Salz in den Stauden!“

„Ihr seid das Salz der Erde“ (Mt 5,13). So hat Jesus die Rolle derer umschrieben, die ihm nachfolgen. „Die Predigt soll etwa 10 Minuten lang sein – und gewürzt mit etwas Pep“, hat mir einmal ein Pfarrer geschrieben mit dem Programm für den Firmungsgottesdienst. Salz allein langt nicht, es muss noch Pfeffer drin sein. Pfeffer und Salz, vielleicht noch Curry – eine indische Note angesichts vieler Priester, die aus diesem Land kommen. Ich nenne nur P. Joji John, der seit 2013 die PG Stauden segensreich leitete. Herzliche Grüße an ihn nach Indien! Vergelt’s Gott für sein Wirken in den Stauden! Willkommen auch an P. Anish Thomas und Gottes Segen für Dein Engagement! Doch zurück zu den Gewürzen: Wir sollten auch nicht Majoran und Rosmarin vergessen, weil die Christen heute arme Würstchen sind. Und noch Senf: Sollen wir auch noch unseren Senf dazugeben zu allem, was auf den Speisekarten des Lebens angeboten wird? Jesus hat ausdrücklich gesagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“ 

Werfen wir einen Blick zurück in die Zeit Jesu! Salz war sehr geschätzt. Es war kostbar und selten. Wie heute, so diente es schon damals zum Würzen von Speisen. Gerade in einem Land mit heißem Klima war Salz sehr gefragt. Salz wurde auch gebraucht, um Lebensmittel zu konservieren, damit sie nicht faulten. Wie die Evangelien erzählen, haben die Fischer am See Genesaret immer wieder große Mengen an Fischen gefangen. Was tun, wenn man nicht alles frisch verkaufen oder gleich aufessen konnte? Wie gut, wenn Salz zur Verfügung stand: Damit wurde ein Großteil der Fische haltbar gemacht. Schließlich war Salz auch ein Symbol der Gastfreundschaft. Wenn ein Gast ins Haus kam, bot ihm der Gastgeber zuerst Brot und Salz an. Wer Brot und Salz teilte, wollte damit ein Zeichen setzen: Wir haben Gemeinschaft miteinander.

Salz: Kostbarkeit und Würze, Konservierungsmittel und Ausdruck der Gemeinschaft. Das alles schwingt mit, wenn Jesus seinen Jüngern sagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Heute richtet er dieses Wort an uns. Wir sind das Salz in einer Region, deren christliche Wurzeln schon in der Antike liegen. Die hl. Afra steht für viele andere Frauen und Männer, die als Salz dieser Gegend Wert und Würze gaben. Was bedeutet diese Aussage? Sicher steckt mehr dahinter als eine rhetorische Formel.

1. In unseren Breitengraden trifft für die Christen das zu, was für das Salz im Hinblick auf ein feines Menü gilt: Ohne Salz schmeckt es langweilig. Ohne Christen hätte unsere Gesellschaft ein anderes Gesicht. Unser Bistum prägen wesentlich die vielen Kirchen aus Stein.  Doch wie steht es um die lebendigen Steine, was ist mit uns los? Wie das Salz, so sind auch Christen kostbar. Wir werden weniger. Die Zahlen sinken. Christen, die Salz sind in ihrer Umgebung, werden rarer. Vielleicht haben wir selbst schon die Erfahrung gemacht, dass wir eine Gruppe sind unter vielen, mancherorts schon eine – wenn auch große – Minderheit. Unsere Stimme geht unter im lautstarken Gewirr vieler Meinungen. Mit dem anspruchsvollen Evangelium lässt sich nicht mehr viel Staat machen, nicht einmal in Bayern, in Schwaben, hier in den Stauden - einer Region, der ohne Volksfrömmigkeit und christliche Traditionen wesentlich ärmer wäre. 

Trotzdem müssen wir weder Klagepsalmen anstimmen noch Trübsal blasen. Denn ein bisschen Salz reicht schon aus! Eine kleine Prise dieses Gewürzes genügt, damit aus einer faden Suppe ein pikanter Appetitmacher wird. Als „Salz der Erde“ sollten wir uns nicht einfach der „Einheitssuppe“ der gängigen Meinungen anpassen. Aber wir dürfen es auch nicht übertreiben: Wie schnell ist eine Suppe versalzen – nicht nur die auf dem Tisch, sondern auch im Leben?

2. Damit sind wir beim Salz als Gewürz. Die Christen sind die Würze der Gesellschaft. Es ist schade, dass das Evangelium manchmal so schwach und kraftlos scheint. Kann es vielleicht auch daran liegen, dass es den Zeugen des Evangeliums an Würze fehlt? 

Die vielbeschworene Evangelisierung geht weniger mit Papier. Denn Papier ist geduldig. Sie wirkt viel mehr durch das Leben. Wir sind nicht der Zuckerguss für bürgerliche Festlichkeit und zünftige Gemütlichkeit. Wir sind auch nicht das Sahnehäubchen auf einem gesellschaftlichen Pudding, der eine süße Versuchung wert ist, ansonsten aber nach allen Richtungen schwabbelt. Wir sind das Salz der Erde. Diese Würze tut auch einer politischen Gemeinde gut. Gott möge verhüten, dass in Zukunft das Salz seinen Geschmack verliert!

3. Salz macht Lebensmittel haltbar. Es sorgt dafür, dass hochwertige Nahrung zur Verfügung steht. Die Funktion, die das Salz für Fleisch und Fisch hat, weist auf den Dienst hin, der uns Christen als Salz der Erde zukommt. Wir tragen Verantwortung dafür, dass unsere Mitmenschen leben und überleben. Dabei geht es zunächst auch um den Lebensunterhalt und die Lebensqualität. 

Gerade junge Christen sind dafür sehr sensibel: Bewahrung der Schöpfung, Erhaltung des Friedens, Verantwortung für die „Eine Welt“, Gestaltung von humanen Arbeitsplätzen - Themen, für die sie sich jenseits ihrer konfessionellen Zugehörigkeit engagieren. Neben dem Hunger des Leibes kennt der Mensch ja auch den Hunger nach Anerkennung und Liebe, nach Orientierung und Sinn. Wie oft bleibt dieser Hunger ungestillt? Wie oft wird der Mensch mit verdorbener Nahrung abgespeist? Wir Christen sollen dafür sorgen, dass die Menschen genügend gute Lebensmittel haben – für Leib und Seele. In diesem Sinn sind wir „konservativ“ und werden es bleiben (müssen). Wie das Salz der Konservierung dient, so wird uns Christen als Salz der Erde insofern ein „konservatives Etikett“ anhaften, als wir das menschliche Leben in allen seinen Phasen bewahren und verteidigen sowie eine „Kultur des Lebens“ fördern und schützen wollen. 

4. Schließlich ist das Salz ein Zeichen der Gemeinschaft. Auf eigene Faust kann keiner sein Christsein leben. Wer es dennoch versucht, läuft Gefahr, langsam, aber sicher den Geschmack am Glauben zu verlieren. Das Salz wird schal und fade. Es taugt zu nichts mehr. Ein Christ ist kein Christ (Tertullian). Das Evangelium leben geht auf Dauer nur gemeinsam mit anderen. Christliche Männer und Frauen entdecken sich als Brüder und Schwestern. Wir sind zur Gemeinschaft berufen: Durch die eine Taufe sind wir in die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott eingebunden. So stehen wir auch in Gemeinschaft mit allen, die den Namen Jesu Christi tragen. Ökumene ist heute wichtiger denn je. Ihr seid das Salz der Erde. Das heißt auch: Wir brauchen eine „Große Koalition“ aller, die sich Christen nennen.

Daher ist uns Jesu Wort Verpflichtung: „Liebe Christen in Walkertshofen! Ihr seid das Salz in den Stauden!“ Ob der Synodale Weg in Deutschland wirklich ein Aufbruch ist, der zur inneren geistlichen Erneuerung der Kirche führt, wage ich zu bezweifeln. Ob hier nicht die Suppe der Kirche ordentlich versalzen wird? Jesus hat nicht gesagt: Ihr seid das Salz der Kirche, sondern: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt! Dabei stellt er die ernste Frage: Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Die Antwort liefert er gleich mit: Es taugt zu nichts mehr, wird weggeworfen und von den Leuten zertreten (Mt 5,13). Gnade uns Gott, wenn wir nicht mehr Salz der Erde sind! Wenn wir uns so dem Zeitgeist anpassen, dass wir damit den Heiligen Geist chancenlos lassen! Gott bewahre uns davor. Amen.

16.10.2021 - Bischöfe , Bistum Augsburg , Predigt