Luca Lucchesis „A Black Jesus“ ist nicht der einzige derzeit aktuelle Film, der die Konfrontation zwischen einem überzeugt christlichen Europa und dem Schicksal afrikanischer Migranten an seinen Außengrenzen sucht. Sein Schauplatz ist die kleine sizilianische Stadt Siculiana. Ihren Einwohnern und einigen hier untergebrachten Flüchtlingen bei ihren ernsthaften Bemühungen um Integration zuzusehen, macht Freude und regt zur Nachahmung an.
Das Küstenstädtchen unweit von Agrigent ist der Heimatort des Regisseurs. Hier gehören Volksfrömmigkeit und christliches Brauchtum so selbstverständlich zum Alltag der Menschen wie die Mandeln ins Gebäck und der Badespaß zum Sommer. Alle Anlässe zur Geselligkeit und alle Feste werden von einem kirchlichen Feiertag übertroffen: Am „Kreuzfest“ Anfang Mai feiern die Siculianesi ein Holzkruzifix, das sie verehren, als wären sie die Hüter der Krone des Königreichs Sizilien.
Jedes Jahr zum Fest wird der Gekreuzigte vom Altar der Stadtpfarrkirche abgenommen, auf einer Sänfte durch die verwinkelten und teils steil abfallenden Gassen getragen und dabei mit Küssen und Ehrbezeugungen überhäuft. Das Besondere an diesem Jesus: Sein Korpus ist schwarz.
Versprechen, brav zu sein
In Siculiana erzählt man sich zu dieser Figur, sie sei mit einem Fremden in einer Kiste in die Stadt gekommen. Ein von Geburt an Blinder sei durch Berühren der kostbaren Fracht sehend geworden. Als die Stadtbewohner in der Kiste das Kruzifix entdeckten, wollten sie es nicht mehr hergeben. Seitdem huldigen dem wundertätigen Bild im Ort Jung und Alt, schreiben ihm Erlösungsmacht zu, versprechen ihm, brav zu sein, und legen ihm Bitten um Versöhnung zu Füßen.
Die afrikanischen Migranten, die über das Mittelmeer auf die Insel gelangt und in einem Auffangzentrum am Stadtrand untergebracht sind, stellen jene christliche Gesinnung der Siculianesi auf die Probe. So manche Seniorin gesteht beim gemeinschaftlichen Kneten der zähflüssigen Mandelmasse für den süßen Torrone Siciliano, sie habe Angst vor den Schwarzen.