Artenvielfalt auf Galápagos-Inseln

Ein lebendiges Paradies

Gibt es ein Paradies auf Erden? Ja!  Es sind die am Äquator gelegenen Galápagos-Inseln im Pazifik, etwa 1000 Kilometer westlich der Küste von Ecuador. Die Tiere, die dort leben, sind ohne Scheu. Ganz nahe können die Menschen mitten in der Natur an sie heran. 

„Wie alt bist du denn, mein Fräulein?“, fragt sogleich eine Besucherin, doch die Angesprochene stört diese Neugier keineswegs. Denn sie ist eine Riesenschildkröte und lebt auf Santa Cruz, der wichtigsten Insel des Galápagos-Archipels.

Ist sie überhaupt eine Dame? Der Guide blickt auf ihr Hinterteil. „Die männlichen Tiere haben ein deutlich längeres Schwänzchen als die weiblichen. Diese Riesenschildkröte ist eine recht junge Dame“, erklärt er und weist auf den noch deutlich gemusterten Panzer. Sogar der Name Galápagos stammt vom Panzer einiger Riesenschildkröten-Arten. 

Die Vielfalt ist faszinierend. Auf jeder der 13 größeren und zahlreichen kleineren Inseln gibt es unterschiedliche und weltweit einmalige (endemische) Tier- und Pflanzen­arten. Im Laufe der Zeit haben sie sich den jeweiligen Lebensbedingungen angepasst.

Darwin erstaunt über "Schöpfungskraft"

Vor rund drei Millionen Jahren begann das Leben auf den Galápagos-Inseln. Pflanzensamen gerieten durch Wind und Wasser dorthin, Insekten im Gefieder von Vögeln. Säugetiere sind vermutlich auf Treibholz mit der Strömung auf die Inseln gelangt. 

Der Forscher Charles Darwin, der 1835 mit dem Schiff „Beagle“ auf San Cristóbal landete, war sehr bald „erstaunt über die Menge der Schöpfungskraft, die sich auf diesen kleinen, kargen und felsigen Inseln offenbart.“ Auf den auf Galápagos gewonnenen Erkenntnissen basiert seine Evolutionstheorie und sein berühmtes Werk „Die Entstehung der Arten“.

Schildkröten als lebende "Konserven"

Darwin begeisterte sich sofort für die Riesenschildkröten – genau wie die Piraten, jene aber aus einem ganz anderen Grund. Da Riesenschildkröten wochenlang ohne Wasser und Nahrung auskommen können, nahmen die Seeräuber die Tiere als „lebende Konserven“ mit an Bord, was ihre Zahl stark dezimierte. 

Doch seit 1959 sind die Galápagos-Inseln Nationalpark und außerdem ein Unesco-Weltnaturerbe. Der Schutz von Flora und Fauna steht seither obenan. 1964 wurde die Charles-Darwin-Forschungsstation in Puerto Ayora auf der Insel Santa Cruz gegründet – gerade noch rechtzeitig, um die Riesenschildkröten vor dem Aussterben zu bewahren. 

Hilfe für die Schildkröten

Helfer sammeln nun die Eier in der Natur ein, legen sie in Brutkästen und pflegen die geschlüpften Tiere. Auf Isabela und San Cristóbal geschieht Ähnliches. Wenn die Riesenschildkröten vier Jahre alt sind, werden sie in die Natur entlassen. Schon mehr als 7000 Tiere wurden so erfolgreich ausgewildert.   

Auf natürliche Weise schaffte jedoch der äußerst potente Schildkrötenmann „Diego“ die Rettung seiner Art. Seit 1979 zeugte er in der Zuchtstation auf Santa Cruz etwa 800 Nachkommen. Im Juni 2020 wurde der circa Hundertjährige auf seine Heimatinsel Española zurückgebracht. 

Bis zu 200 Jahre alt

Was wird er nun tun? „Riesenschildkröten können bis zu 200 Jahre alt werden. Sie paaren sich erst mit 60 bis 80 Jahren. Ein Hundertjähriger ist also noch ein Mann im besten Alter“, weiß der Guide. Auf alle Fälle haben die Riesenschildkröten einen guten Appetit, auch das angesprochene „Fräulein“. Alle schnabulieren, Kräuter und Guaven-Reste hängen um ihre Mäuler.

Was wird er nun tun? „Riesenschildkröten können bis zu 200 Jahre alt werden. Sie paaren sich erst mit 60 bis 80 Jahren. Ein Hundertjähriger ist also noch ein Mann im besten Alter“, weiß der Guide. Auf alle Fälle haben die Riesenschildkröten einen guten Appetit, auch das angesprochene „Fräulein“. Alle schnabulieren, Kräuter und Guaven-Reste hängen um ihre Mäuler.

Auf jeder der Inseln lässt sich viel Überraschendes erleben, sei es im Wasser oder beim Wandern auf den angelegten Wegenetzen. Als Vulkan-Schönheit zeigt sich San Bartolomé. Auch wenn die Sonne brennt – das Bergan über Stufen zum Aussichtspunkt ist ein Muss. 

Farbsinfonie sondergleichen

Aus 114 Metern Höhe bietet sich nun eine Farbsinfonie sondergleichen: pechschwarze und rostrote Lava, grelles Grün, heller Sand und das blaue Meer mit der Felsnadel Pinnacle Rock. Gegenüber, in der Sullivan Bay, lässt es sich zwischen bunten Doktor- und Papageien­fischen herrlich schnorcheln. 

Die Tauch-Fans erzählen von unzähligen Mondfischen, Barracuda-Schwärmen, Rochen sowie dutzenden von Hammer- und Weißspitzenriff­haien. Auch die tun den Tauchenden nichts zuleide. Im auffällig klaren Wasser konnten sie alles bestens sehen. 

Erholung für die Natur

Die Tauchlehrer bestätigen diesen Eindruck – eine positive Folge des mehrmonatigen Lockdowns im Vorjahr. Nach rund 270 000 Gästen im Jahr 2019 war plötzlich Pause. Die Bevölkerung musste darben, doch das Paradies konnte sich erholen. Den Tieren und Pflanzen hat diese Auszeit, die im August 2020 endete, ebenfalls gut getan. Noch immer kommen nur wenige Besucher. 

Noch zutraulicher als bisher schon zeigen sich die Vögel auf der Insel Isabela und dem unbesiedelten Eiland Genovesa. Nur einen Meter entfernt hat ein Rotfußtölpel in einem Busch sein Nest gebaut. Neugierig schaut er die leise näher tretende Besucherin an. Unter seinem bräunlichen Federkleid lugt ein wattiges Küken hervor. Ein Stück weiter sitzt solch ein weißes Wollknäuel auf den roten Füßen der Mama. 

Tiere mit perfektem "Make-up"

Rot ist ohnehin beliebt. Bei den zierlichen Gabelschwanzmöwen passt das „Augen-Make-up“, ein roter Ring auf schwarzen Federn, perfekt zu den roten Füßen. Ein Fregattvogel im Gesträuch treibt es noch toller. Rund 20 Minuten dauert es, bis er seinen leuchtend roten Kehlsack voll aufgeblasen hat, um den Weibchen in der Paarungszeit zu imponieren. 

Einen Flirt vom Feinsten bieten auch die Blaufußtölpel auf Española. Einige kreuzen verliebt die Schnäbel, andere schauen im
Duett ins Weite oder zeigen einander neckisch die kalte Schulter.  

Die schwarz-weißen Nazca-Tölpel, die schlicht auf dem Boden brüten, leben auf mehreren Inseln. Zwei Eier legt die Vogeldame, doch nur ein Küken wird großgezogen. Putzmunter hüpft gerade ein frisch geschlüpftes splitternackt umher. 

Paradiesischer Strand für Seelöwen

Paradiesisch wirkt auch so mancher Strand, der oft nur den Seelöwen und den Kurzzeit-Besuchern gehört. Die Jungtiere schmusen oder dösen. Die Großen schauen zumeist gelassen auf den Strand oder auf den blauen Pazifik.

Manche Seelöwen sonnen sich gerne auf Bänken. Ein kesser Kleiner, „Leo“ genannt, watschelt neuerdings durch die Casa Rosada auf Isabela, um sich gute Happen abzuholen. Diese gibt’s frisch gefangen in den Restaurants. Roter Thunfisch, Hummer und Garnelen direkt aus dem Meer begeistern die Gäste. 

Die Leguane haben sich vor allem die winzige Insel Plaza Sur zur Heimat erkoren. Die Meeresleguane sind in der Paarungszeit rot mit grünen Kämmen, die Landleguane wirken beim Hautwechsel bunt und zerlumpt. Zu hunderten kriechen sie umher, doch keine Bange. Sie sind Vegetarier und scheinen ständig fröhlich zu grinsen. Kein Wunder – nach wie vor leben sie in einem Paradies.

Ursula Wiegand

07.04.2021 - Natur , Reise , Tiere