Ekklesiologie:

„Außerhalb der Kirche kein Heil“

Ob man mit Bischöfen glücklich ist oder nicht: Die DNA der Kirche, ihre gestiftete Grundstruktur, ist die unter dem Bischof geeinte Ortskirche. Das ist göttlichen Rechts. Am Bischof vorbei gibt es keine Taufe und keinen Zugang zum Sakrament des Altars. Die gesamte kirchliche Disziplin baut sich auf diesem Prinzip auf, und das von Anfang an. Ein Paradebeispiel für diese „Ekklesio­logie“ ist der Märtyrer­bischof Cyprian, der 258 in seiner Bischofsstadt Karthago in Nordafrika (heute Tunesien) für seinen Glauben hingerichtet wurde. 

Wenn Cyprian von der Taufe „in der Kirche“ spricht, dann meint er keinen abstrakten Begriff, sondern die konkrete Bischofskirche. Hier ist die Seelsorge zentral organisiert: Alles spielt sich in der einen Kirche an dem einen Altar des Bischofs Cyprian ab: An diesen Ort ist sowohl die Taufe als auch die Eucharistie gebunden. Daher kann er behaupten, dass es für jene, die in der Kirche getauft sind, keine Taufe außerhalb der Kirche geben könne. 

Kein Zutritt!

Cyprian kennt in seiner eigenen Bischofsstadt und in den Städten seines Sprengels jeweils nur ein einziges Kirchengebäude, zu dem die Taufbewerber kommen. Es handelt sich um die Bischofskirchen mit Baptisterium. Wer sich außerhalb dieser Kirchen taufen lässt, muss erneut getauft werden. Die Häretiker sind schlicht deshalb keine Christen, weil sie nicht in die Kirche des katholischen Bischofs kommen. Dieser wiederum darf nicht jene in das Haus Gottes hineinlassen, denen er sogar den Zutritt in sein Privathaus verweigern muss. Das frühchristliche Amt des Türstehers (Ostiarier) hat dafür zu sorgen, dass nur die Berechtigten die Kirche betreten dürfen.  

Cyprian und alle nordafrikanischen Bischöfe verteidigen ein Kirchenprinzip, das seinen Sinn hat angesichts separatistischer Bewegungen. So errichtet der schismatische Priester und Gegenbischof Novatian, um das eucharistische Opfer darbringen zu können, entgegen den kirchlichen Normen einen eigenen Altar. Für Cyprian darf es jedoch nur einen Altar geben, dessen Errichtung allein dem (rechtmäßigen) Bischof zusteht. 

Auch ein gewisser Fortunatus versucht sich als Gegenbischof zu etablieren, weil ihm Cyprian zu streng mit den in der Verfolgung Abgefallenen umgeht. Für Cyprian steht dieser Fortunatus natürlich „außerhalb der Kirche“, zumal dieser versucht, ihn und seine Presbyter zu vertreiben und die Bischofskirche zu übernehmen. Fortunatus will erreichen, dass die Priester Cyprians ihre ehrwürdigen Sitzbänke in der Kirche verlassen und den Altar des Herrn entfernen. 

Eine Kirche – ein Altar

Demnach gibt es in Karthago nur diesen einzigen Altar, um den sich der Bischof und sein Klerus versammeln. Jeder Bischof hat sozusagen seinen Altar. Auch die Priester nehmen an diesem Altar an der bischöflichen Eucharistie teil. Die Neupriester werden in Dienst genommen, sagt Cyprian, um „dem Altar und den Opfern zu dienen“. 

In der ganzen Auseinandersetzung geht es um die Einheit der Ortskirche. Cyprian exkommuniziert sowohl die in der Verfolgung Abgefallenen als auch die Schismatiker. Weil es nur die eine Bischofskirche in der Stadt gibt, beschreibt seine Formulierung, jemand werde aus der Kirche ausgeschlossen, schlicht die Tatsache, dass der Betreffende die Bischofskirche nicht mehr betreten darf. 

Exkommunikation ist eben nicht ein bürokratischer Akt, durch den man erfährt, dass man nun nicht mehr zur Weltkirchengemeinschaft gehört, sondern sie meint das Verbot, die örtliche Bischofskirche zur Eucharistiefeier zu betreten und dort die Kommunion zu empfangen. Cyprian beklagt sich über die laxen Presbyter des Gegenbischofs, die den Abgefallenen, die außerhalb der Kirche sind, den Friedensgruß geben und jenen, die nicht in der Bischofskirche zur Kommunion gehen dürfen, die Gemeinschaft anbieten, bloß damit die, die draußen sind, nicht an die Türen der Kirche Cyprians anklopfen und dorthin zurückkehren. 

Tatsächlich aber laufen solche, die in der Verfolgung abgefallen sind, täglich zurück zur Kirche, klopfen dort an die Tür und stiften drinnen Zwist unter dem zum Gottesdienst versammelten Volk Gottes, den Cyprian kaum zu schlichten vermag. Auch Fortunatus ist nicht mehr „in der Kirche“, und er wagt nicht einmal, zu kommen oder sich der Schwelle der Kirche Karthagos zu nahen, sondern hält sich draußen in der Provinz auf. 

Kein Zweifel also, was Cyprian meint, wenn er in einem Brief an seine Gemeinde in Karthago klipp und klar sagt, es gebe nur eine Kirche, nur eine Kathedra und nur einen Altar. Nur zur Bestätigung sei ein weiterer Brief Cyprians angeführt. Er richtet sich an einen Nachbarbischof, in dessen Stadt gottgeweihte Jungfrauen, ein Diakon und weitere Männer angeblich miteinander gesündigt haben. Offenbar war es in der Kirche zum Eklat gekommen, als der Bischof den Dia­kon und die anderen Männer „zurückhielt“, also wohl am Betreten der Kirche hinderte. Daraufhin kam es in der Kirche vor der entsetzten Gottesdienstgemeinde zu unschönen Szenen. 

Im Haus Gottes

Cyprian gibt nun seine Ratschläge, wie die „Gottesdiener“ – Diakon und Jungfrauen – wieder zugelassen werden können. Vorerst bleiben sie aus der Kirche „herausgeworfen“, dorthin, wo sie nicht überleben. Denn außerhalb des „Hauses Gottes“, der Kirche, gebe es kein Heil. Das spielt auf die Eucharistie an, die es eben nur in der Kirche gibt und ohne welche die Gottesdiener sozusagen verhungern müssen. Wer hingegen seine Sünde bekennt, kann zur Kirche zurückkehren. 

Aus diesen Bemerkungen kann nicht gefolgert werden, es dürfe heute in einer Stadt nur einen Altar und ein Taufbecken geben. Die Kirche ist gewachsen, und schon seit dem vierten Jahrhundert vermehren sich in den großen Städten selbstverständlich die Kirchen, Altäre und Baptisterien. Geblieben ist aber das Prinzip, dass sich alle Kultorte und ihr Klerus in die Einheit unter dem Ortsbischof einfügen müssen.

Stefan Heid

19.05.2023 - Bischöfe , Historisches , Kirchen