Ursprünglicher als in Europa

Das Osterfest auf der Osterinsel

„Fast 90 Prozent der Leute hier sind katholisch“, sagt die gebürtige Deutsche Conny Martin über die Osterinsel. Seit 21 Jahren lebt sie auf dem Eiland mit dem besonderen Namen und betreibt hier mit einem Geschäftspartner das Reisebüro „Rapa Nui Travel“. „Die Kirche ist zu Ostern proppenvoll. Gefeiert wird ursprünglicher als in Europa“, sagt sie. „Zwar gibt es in den Geschäften jetzt auch Schokoladenosterhasen. Aber im Vordergrund steht die christliche Bedeutung des Fests.“

Die kleine Insel, 3760 Kilometer von der chilenischen Küste entfernt, erhielt ihren Namen, weil der holländische Kapitän Jakob Roggeveen und seine Männer hier am Ostersonntag 1722 an Land gingen. Die Europäer waren erstaunt, hier überhaupt Menschen anzutreffen. Noch mehr verblüfften sie jene riesigen, tonnenschweren Skulpturen in Menschenform, die überall auf der Insel standen.

Die Statuen sind Zeugen einer untergangenen Kultur, von der auch die Eingeborenen nicht mehr viel wussten. Heute sind sie ein wesentlicher Grund dafür, dass jedes Jahr Tausende Touristen an Land strömen. Sie wollen ebendiese Moais bestaunen, die Steinköpfe aus Tuffstein, die bis zu zehn Meter hoch und teilweise über 70 Tonnen schwer sind. Die Einheimischen führen sie gerne her. 

Ostereier sind auf dem österlichen Eiland kaum bekannt. Dafür gibt es Süßkartoffeln. Die Ostermesse zelebriert Pfarrer Bernardo Astu­dillo Basulto in der Heiligkreuzkirche in Hanga Roa, dem Hauptort der Insel. Die Kette aus Blumen, die er zum Messgewand trägt, entspricht der Landes­tradition.

Lange widerstanden die Bewohner der gut 160 Quadratkilometer großen Insel vulkanischen Ursprungs im Südost-Pazifik der Bekehrung zum Christentum. Als erster Missionar kam 1864 der französische Jesuit Eugène J. Eyraud auf die Osterinsel, um den  einheimischen Rapa Nui die Bibel zu lehren. Dass er versuchte, den Kult um den „Vogelmann“ zu unterbinden, nahmen ihm die Insulaner übel. 

Das begehrte erste Ei

Kern des Kults war ein Wettbewerb: Jedes Jahr im Frühling schwammen junge Männer kilometerweit zur vorgelagerten Insel Motu Nui, um das begehrte erste Ei des Monutara-Vogels, der Rußseeschwalbe, zu erobern. Derjenige, der das Ei unbeschadet zurückbrachte, wurde zum Vogelmann gekürt und genoss ein Jahr besondere Privilegien unter der Bevölkerung. Der letzte Wettkampf dieser Art soll 1888 stattgefunden haben. Im September des gleichen Jahre wurde die „Isla de Pascua“ von Chile annektiert und als strategischer Außenposten dem Andenstaat einverleibt.

Mehr Erfolg bei der Christianisierung der Insulaner hatte ab 1937 der deutsche Kapuzinerpater Sebastian Englert. Als er auf die Osterinsel kam, wollte er nicht einfach nur Priester sein, sondern auch versuchen, die Kultur der Insulaner zu verstehen. Noch wichtiger war ihm, ihre Traditionen zu bewahren. Er erlernte die Sprache der Einheimischen und erforschte ihre Kulturgeschichte.

Englert gelang es, unter den Rapa Nui eine christliche Anschauung populär zu machen. Um das zu erreichen, akzeptierte er eine Vermischung von christlichen Symbolen mit jenen der Urreligion. In der Heiligkreuzkirche scheinen Christus und der sagenumwobene Vogelmann beinahe zu einer Person verschmolzen.

Wissenschaftler versuchen immer wieder, die Herkunft der Rapa Nui zu ergründen. Gemäß ihren Sagen, die von Forschern im Kern für glaubhaft gehalten werden, soll ihr mythischer König Hotu Matua von Polynesien aus auf einem Doppelrumpf-Kanu mit mehr als 100 Leuten Gefolge und allem Überlebensnotwendigen an Bord die 4000 Kilometer über das offene Meer gesegelt sein und die winzige Insel mit traumwandlerischer Sicherheit gefunden haben.

„Paradies“ mit Palmen

Die alten Geschichten besagen, dass die Insel damals ein „Paradies“ war, dicht bestanden mit riesigen Honigpalmen. Wenn die Insulaner einen Stamm anschnitten, floss aus diesem ein Saft, der zu honigsüßem Wein vergor. Die Ahnen der heutigen Bewohner nannten ihre Idylle „Te Pito o te Henua“ – Nabel der Welt. Vermutlich um das Jahr 1000 begannen sie damit, die ersten Steinköpfe aufzustellen, die über die Jahrhunderte immer größer wurden. 

Es scheint eine Art Wettbewerb zwischen den Familienclans geherrscht zu haben, stets noch größere Moais zu errichten. Der Steinbruch, wo die halslosen Riesen gehauen wurden, ist bekannt. Wie aber die tonnenschweren Kolosse an die Strände rund um die Insel transportiert wurden, ist ein Rätsel. Die Überlieferung besagt, die Moai seien auf Veranlassung zauberkräftiger Personen bei Nacht aus eigener Kraft zu der für sie vorgesehenen Plattform gewandert.

Um das Jahr 1650 dürfte die Kultur ihren Zenit überschritten haben. Der Palmenbestand um die erloschenen Vulkane wurde immer mehr abgeholzt, die Vogelwelt ausgerottet. Als die Ressourcen knapp wurden, wurde das Überleben auf der Insel schwierig. Die Bevölkerung nahm drastisch ab. Auch heute noch muss die Lebensmittelversorgung im Wesentlichen vom Festland aus erfolgen.

Karl Horat