Das Grab des Romulus?

Dem Stadtgründer auf der Spur

Ein unversehrter Sarkophag unter der antiken Curia, einem römischen Versammlungsort, könnte das Grab des Stadtgründers Romulus sein. Das zumindest vermuten Archäologen, die den Steinsarg in der Nähe des Kolosseums gefunden haben. Die Direktorin des Archäologie-Parks glaubt nicht daran. Trotzdem möchte sie Touristen helfen, die Spuren von Romulus zu entdecken.

Wer sucht, der findet: In Rom ist das gar nicht so schwierig. Fast auf dem gesamten Gebiet entlang des Tiber reicht es, einige Meter unter der Erde zu graben, um Mauerreste aus der Antike zu entdecken. Allerdings ist im heutigen Stadtkern das Meiste schon „aufgespürt“ worden. 

Deshalb ist es durchaus eine Sensation, dass Archäologen jetzt einen fast 2800 Jahre alten Sarkophag gefunden haben. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi nannte den Fund auf Twitter eine „aufregende Entdeckung“. Die Wanne aus Tuffstein hat eine Länge von 1,40 Meter. Daneben befindet sich ein kreisförmiger Gegenstand, über den die Forscher noch rätseln. Um den Sarkophag herum legte man einen Raum mit Tuffblöcken frei.

Die Ausgrabungsstelle befindet sich direkt unter einer Treppe, die zur früheren sogenannten Curia, dem antiken römischen Senat, im Herzen der Ewigen Stadt führt. Archäologen des Kolosseum-Parks, die den Fund gemacht haben, vermuteten hier bisher schon das Grab des Romulus, des Gründers der Stadt Rom, oder zumindest einen Ort, der ihm gewidmet ist. Dabei ist ungeklärt, ob es Romulus überhaupt gegeben hat oder ob die legendäre Gründergestalt erfunden wurde, um an die eigene Gemeinschaft eine bestimmte Botschaft zu übermitteln.

Ein schwarzer Stein 

Dass der Fund nun das Grab des Romulus sein könnte, habe mit dem besonderen Stein zu tun, den man an der Stelle gefunden hat. So behaupten die Archäologen, es sei kein Zufall, dass man dort den sogenannten Lapis Niger, den schwarzen Stein, vorgefunden hat. Denn als „Lapis Niger“ wurde in antiken Quellen die Grabstätte des Stadtgründers bezeichnet. Das Gestein wird mit dem Tod von Romulus in Verbindung gebracht. An der Fundstelle ist es in der unterirdischen Umgebung in einer geraden Achse reichlich vorhanden.

Der Sarkophag wurde offensichtlich wegen der über ihr befindlichen Curia vor Schäden bewahrt. Wäre der  Versammlungsort nicht an dieser Stelle angelegt worden, wäre das Grab längst zerstört worden, glaubt die Direktorin des Archäologischen Parks am Kolosseum, Alfonsina Russo. Das sei ein weiterer Beweis für die große Bedeutung des Sarkophags. 

Auch stimmt die Fundstelle mit dem überein, was die Quellen als eine Grabstelle hinter den sogenannten republikanischen Rostra, den Rednerplattformen auf dem Forum Romanum, überliefern. Etwa die römischen Autoren Varrus und Horaz verorten die Grabstätte des Romulus an dieser Stelle.

„Es war aufregend, die Ausgrabung von Giacomo Boni, der 1900 die wichtigsten Denkmäler der Stadt gefunden hat, unversehrt wiederzuentdecken“, berichtet Direktorin Russo. Der Archäologe Boni hatte  als erster in der Neuzeit an dieser Stelle gegraben. Doch den Sarkophag brachte er damals nicht mit dem Grab des Romulus in Verbindung. Vielmehr beschränkte er sich auf eine allgemeine Schilderung der Stelle. Danach wurde die Stelle wieder zugeschüttet.

Dokumentation von 1900

„Nach 120 Jahren“, erklärt Russo, „haben wir nun die gesamte Dokumentation von Boni durchgesehen.“  Dabei hatte eine der beteiligten Archäologinnen vermutet, dass es sich um einen bedeutsamen Sarkophag handeln könnte. So begann das Archäologen-Team weitere Ausgrabungen.

Wie bewertet nun die Direktorin den Fund? „Höchstwahrscheinlich ist es gar nicht das Grab von Romulus“, vermutet Russo. Antike Quellen besagen nämlich, dass Romulus – falls es ihn tatsächlich gegeben haben sollte – getötet und in Stücke gerissen wurde. „Ich glaube deshalb, dass wir es hier vielmehr mit einem Ort der Gemeinschaftsbildung zu tun haben“, so Russo.

Verehrung wie bei Tell

Vergleichbares ist mit der sogenannten Tellskapelle am Vierwaldstätter See geschehen. In der Nähe von Luzern steht am Seeufer seit mehreren Jahrhunderten eine Kapelle, die der Sagen-Figur des Wilhelm Tell gewidmet ist – und das, obwohl nicht bewiesen ist, dass der Schweizer Freiheitskämpfer überhaupt gelebt hat. Natürlich wurde Tell von der Kirche auch niemals selig- oder heiliggesprochen. 

Doch sakrale Orte wie die Kapelle oder auch der wiederentdeckte Sarkophag dienten den Menschen in früheren Jahrhunderten dazu, sich ihrer Wurzeln zu vergewissern, ist Russo überzeugt. Bei den Ausgrabungen wurden keine Hinweise gefunden, dass der Sarkophag jemals einen Leichnam enthalten hat. 

Den Fundort will Russo nun vor allem für weitere Studien über die römische Geschichte untersuchen lassen. Auch möchte sie Interessierten die Möglichkeit geben, sich selber ein Bild von der Fundstelle zu machen. Ihr Ziel ist es, innerhalb der nächsten zwei Jahren eine Route für Touristen durch das Forum Romanum zur Fundstelle Lapis-Niger anzulegen. So wird dann jeder selbst auf den Spuren von Romulus gehen können oder – wie Russo glaubt – auf den Spuren der alten Römer, die zum Kult-Ort ihres Stadtgründers pilgerten.

Mario Galgano

06.03.2020 - Historisches , Rom