Der Blutritt von Weingarten

Ein Glaubensfest hoch zu Ross

WEINGARTEN – Schon der Name lässt aufhorchen: Blutfreitag. Bald ist es wieder soweit: Am 11. Mai, dem Freitag nach Christi Himmelfahrt, werden Tausende Pferde, Reiter und Musiker ins oberschwäbische Weingarten kommen, um am „Blutritt“ teilzunehmen – und Tausende Pilger werden zuschauen. Bei Europas größter Reiterprozession wird eine Reliquie mit dem Blut Christi durch Stadt und Felder getragen.

Dekan Ekkehard Schmid wird an diesem Tag im Mittelpunkt stehen. Er, der Pfarrer der Kirchengemeinde St. Martin in Weingarten, ist der Reiter, der die Reliquie tragen wird: der Heilig-Blut-Reiter. Alle Augen richten sich auf ihn, wenn er gegen 7 Uhr am Portal der Basilika in Weingarten die Reliquie in Empfang nimmt. „Es ist schwierig zu beschreiben“, versucht Dekan Schmid Einblick zu geben, was in diesem Moment in ihm als Heilig-Blut-Reiter geschieht. „Man spürt einfach: Es ist eine hohe Intensität da.“
Zehntausende Menschen kommen an die­sem Tag nach Weingarten. „Es ist ein sehr öffentliches Glaubensfest“, sagt Schmid. Als Teilnehmer dieser Prozession tauche man in eine jahrhundertealte Tradition ein. „Da bekommt man schon eine Gänsehaut“, erzählt der Geistliche. Schließlich sei es auch das einzige Mal im Jahr, dass die Reliquie die Kirche verlasse. Selbst auf das Pferd, das Schmid reitet, überträgt sich diese besondere Stimmung. „Es spürt auch: Ich bin die Mitte“, hat der Dekan beobachtet. Der Kern der Heilig-Blut-Reliquie besteht aus einem 35 Millimeter langen und zwei Millimeter breiten Stäbchen. Der Legende nach enthält es das Blut Jesu: Der römische Soldat Longinus soll mit der Lanze in die Seite von Jesus gestochen haben, dabei von Jesu Blut besprenkelt und dadurch erleuchtet worden sein. Anschließend sammelte Longinus Blutstropfen, vermischt mit Erde von Golgotha, auf.
Longinus ging ins italienische Mantua, wo die Reliquie über Jahrhunderte verblieb. Sie wurde geteilt, und ein Teil gelangte um 1090 als Geschenk ins Kloster Weingarten. Laut Überlieferung fiel die Übergabe der Reliquie auf den Freitag nach Christi Himmelfahrt. Deshalb findet an diesem „Blutfreitag“ traditionell der Blutritt statt.Mit Mantua unterhält Weingarten seit 1998 eine Städtepartnerschaft. Dabei wurden die jahrhundertealten Verbindungen beider Städte wieder neu belebt und aufgegriffen. Die Abtei unterdessen gibt es nicht mehr, die Benediktiner sind 2010 ausgezogen. Gegründet worden war das Kloster 1056 von den Welfen. Die schwäbische Linie dieses Adelsgeschlechts hat in Weingarten ihre Wurzeln.

In Frack und Zylinder
Der Blutritt ist ein zehn Kilometer langer Umritt, der durch die Straßen Weingartens und die angrenzenden Felder führt. Etwa 2500 Reiter und 4000 Musiker, dazu noch Tausende Zuschauer, werden erwartet. Die Reiterprozession führt zu vier aufgebauten Außenaltären. Teilnehmen dürfen nur Männer und Jungen, gekleidet in Frack und Zylinder.
Was den Blutritt auch auszeichnet, ist seine bürgerliche Tradition. So war der Ritt im 19. Jahrhundert eine Zeitlang eigentlich von der katholischen Kirche verboten worden. „Die Bevölkerung hat dann trotzdem an dem Blutritt festgehalten“, berichtet Ekkehard Schmid.
Neben der Blutritts-Wallfahrt ist auch die Barockbasilika selbst, in der die Reliquie aufbewahrt wird, eine Attraktion. Sie ist Teil der Klosteranlage und wurde von 1715 bis 1724 gebaut. Die Basilika ist fast halb so groß wie der Petersdom in Rom. Ein gewollter Bezug. „Man hat den Petersdom zum Maßstab genommen“, erläutert Dekan Schmid.
Die Kuppel ist 67 Meter hoch. Auch diese ist eine Besonderheit. „Es gibt wenig Kirchen in Deutschland mit einer Kuppel“, bemerkt Schmid. Wegen des Bezugs zum Petersdom wird das Gotteshaus auch „Schwäbisch St. Peter“ genannt. Den päpstlichen Ehrentitel Basilika trägt die Kirche seit 1956.

Christoph Klawitter

Information
Die Feierlichkeiten beginnen schon am Vortag, 10. Mai. Um 19.15 Uhr findet eine Abendmesse statt, ab 20.30 Uhr dann die Festpredigt durch den emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper. Anschließend gibt es eine Lichterprozession. Am Blutfreitag, 11. Mai, beginnt um 6 Uhr eine Eucharistiefeier. Gegen 7 Uhr wird die Reliquie an den Heilig-Blut-Reiter am Kirchenportal übergeben, die Reiterprozession startet. Gegen 11.15 Uhr findet ein Pontifikalamt mit Kardinal Kasper statt.