Zum Muttertag am 9. Mai

Der Glaube gibt ihr Halt

Halt, Struktur und Orientierung im Glauben spielen für die alleinerziehende Friseurmeisterin Ulrike Schuster und ihre neunjährige Tochter Marie eine wichtige Rolle. Entschieden wehrt Schuster sich gegen die Verun­glimpfung von Alleinerziehenden als Familienversager.

„Natürlich war es nicht mein Plan, als alleinerziehende Mutter nur mit meiner Tochter zu leben. Als Paar wollten wir für immer zusammenbleiben. Also heirateten wir und planten gemeinsame Kinder“, erzählt Ulrike Schuster von sich und ihrem Ex-Mann. Irgendwann aber merkten sie: Es funktioniert nicht mehr. „Dann ist es manches Mal für alle Beteiligten gesünder zu sagen, wir gehen getrennte Wege.“ 

Drei Jahre verheiratet

Neun Jahre dauerte Ulrike Schusters Beziehung. Drei Jahre war sie verheiratet. Dann kam die Scheidung. Seitdem ist die heute 43-Jährige alleinerziehende Mutter. Die ausgebildete Friseurmeisterin wohnt in einer Kleinstadt im Rhein-Kreis Neuss. Hier wurde sie geboren, ging in den Kindergarten, die Schule und später auf die Berufsschule. „Ich bin hier fest verwurzelt“, sagt die resolute dunkelhaarige Frau. 

Mit 24 Jahren machte sich Ulrike Schuster nach ihrer Ausbildung und einigen Jahren Berufserfahrung mit einem eigenen Friseur-Salon selbstständig. Der Laden unter dem Namen „Haarmanagement“ lief gut, fast zehn Jahre lang war sie hier tätig. Dann kündigte sich ihr Nachwuchs an und ihr war klar: Mit einem Baby konnte sie keine 50 bis 60 Stunden pro Woche mehr arbeiten. Also gab sie ihren Laden auf.  

„Meine Tochter war 14 Monate alt, als ich damals aus der gemeinsamen Wohnung auszog“, sagt Schuster mit leiser werdender Stimme. „Sie war noch recht klein. Aber mein Entschluss stand fest, denn die Atmosphäre und Stimmung in der Partnerschaft war an einen Abschnitt gekommen, wo ich nicht die Hoffnung auf Besserung oder irgendeine positive Veränderung hatte.“

Als Marie in den Kindergarten ging, betreuten sie die Ex-Partner im 14-tägigen Wechsel. „Klar war es oft für das Kind tränenreich. Aber ich wusste: Wenn sie erst einmal die Trennung von der Mama geschafft hat, dann funktioniert es.“ Alle zwei Wochen holte Maries Vater seine Tochter von der Kita ab und nahm sie mit zu sich. Auch die Ferien wurden zur Hälfte aufgeteilt. „Das hat einigermaßen gut geklappt“, meint die Mutter.

Trotz der Trennung als Paar waren sich Maries Eltern einig, gemeinsam Verantwortung für ihre Tochter übernehmen zu wollen. „Wir haben immer gesagt: Egal wie sehr wir uns in den Haaren liegen – das durfte nie auf Kosten des Kindes gehen. Marie sollte nie das Gefühl bekommen, wie ein Gegenstand zwischen uns hin- und her geschoben zu werden“, sagt Schuster. „Eine wohlige Atmosphäre“ bei den Wechseln war ihr immer sehr wichtig. 

So wurde in den vergangenen Jahren auch Weihnachten zusammen mit dem Ex-Mann gefeiert. Gemeinsam gingen die geschiedenen Eheleute in die katholische Kirche zur Kindermesse. Im Anschluss wurde gemeinsam gegessen. Am Ersten Weihnachtsfeiertag fuhren dann Vater und Tochter zu den Großeltern nach Gummersbach. Am Zweiten Weihnachtsfeiertag war Marie wieder bei ihrer Mutter, ihren Groß­eltern, Tanten und Onkels.

Marie sollte von ihren Eltern im christlichen Glauben erzogen werden. Ihr Vater ist evangelisch. Ulrike Schuster kommt aus einer katholischen Familie. Ursprünglich wollte ihr Mann das Kind evangelisch taufen lassen. Doch dazu kam es nicht. Erst ihre Mutter ließ Marie im Alter von fünf Jahren in der katholischen Gemeinde taufen. „Mein Ex-Mann kam sogar mit seiner Kernfamilie in unsere katholische Kirche.“

Der Glaube ist Ulrike Schuster wichtig. Wer sie in ihrem Mehrfamilien­haus in Zentrumsnähe besucht, entdeckt über ihrer Wohnungstür den mit Kreide geschriebenen Segensspruch der Sternsinger. Der jährliche Segen, der nur in diesem Jahr coronabedingt ausgeblieben ist, gibt ihr ein Gefühl von Schutz und Behütetheit für ihre kleine Familie. Ihre Tochter sei mit Freude schon selbst bei den Sternsingern dabei gewesen. 

„Da gibt es jemanden“

Voriges Jahr empfing Marie ihre Erstkommunion. „Mir ist es wichtig, dass mein Kind nicht nur bei mir Halt, Struktur und Orientierung findet, sondern auch im Glauben“, betont Schuster. „Wenn das Leben mal schwierig ist, soll sie wissen: Da gibt es noch jemanden, der auf sie aufpasst. Ich habe das Gefühl, dass ich Marie damit etwas Gutes an die Hand gebe, was sie dankbar annimmt und was ihr Freude macht.“ 

Offenbar fruchtet das: Kürzlich hat Marie gesagt, sie möchte gerne Messdienerin in ihrer Gemeinde werden. „Wenn sie älter wird, kann sie für sich selbst entscheiden, in welcher Intensität sie den Glauben für sich leben möchte“, betont ihre Mutter. Sie ist sich sicher: Wenn sie Unterstützung braucht, wird sie diese Hilfe auch in ihrer katholischen Gemeinde finden. 

Eine wichtige Stütze für Ulrike Schuster sind ihre Eltern. „Oma und Opa helfen mir sehr. Wie sehr, das habe ich in der ersten Phase von Corona massiv gemerkt, als die Unterstützung von heute auf morgen wegfiel. Nicht weil sie die Begegnungen verweigerten, sondern zu ihrem Schutz.“ Das war unmittelbar dem Gesundheitszustand ihres Vaters geschuldet: Der Krebspatient hatte 2019 eine schwere Bypass-OP. Auch ihre Mutter ist herzkrank.

„Oma und Opa fehlten meinem Kind sehr. Sie sind ja nicht in der Rolle der Erzieher, sondern der Verwöhner“, betont Schuster. Auch ihr selbst fehlte während der Kontaktverbote durch die Corona-Pandemie die Entlastung durch die eigenen Eltern, um mal einen halben Tag etwas nur für sich zu machen oder mal einen Freiraum zu haben, um sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen. 

Als Alleinerziehende ist Ulrike Schuster nicht „auf Rosen gebettet“, sagt sie. Offen nimmt sie das Wort „Existenzangst“ in den Mund. Besonders während Corona konnte sie nebenberuflich nicht als Friseurin arbeiten. „Das merkt man dann schon im Portemonnaie.“ Als Teilzeitkraft ist sie für 24 Stunden in der Woche bei einem Friseurgroßhandel in Köln fest angestellt. 

„Meine Festanstellung sichert mir finanziell die Zahlungen für Miete, Strom, Wasser, Telefon oder Versicherungen. Durch meine Nebentätigkeit als mobile Friseurin können wir unseren Kühlschrank füllen, mal einen schönen Ausflug machen oder eine Jeanshose kaufen“, sagt Schuster. Große Urlaube oder Reisen sind nicht möglich. „14 Tage Nordsee oder Mallorca? Das ist nicht drin.“

Eine angenehme Wohngegend ist ihr allerdings ohnehin wichtiger als derlei Reisen. „Ich wollte auf keinen Fall in einer 45 Quadratmeter Wohnung in einem Mietshochhaus mit 200 Parteien wohnen.“ Weil ihr Ex-Mann nicht berufstätig ist, zahlt er nur geringen Unterhalt. So muss Ulrike Schuster jeden Monat für ihre kleine Familie gut kalkulieren. Sondersituationen wie die eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten während der Pandemie treffen Alleinerziehende besonders hart.

Um ihren Alltag zu meistern, griff Schuster auf das Bindungstraining „wir2“ von Professor Matthias Franz von der Universität Düsseldorf zurück. Die Trainerinnen kamen zu wöchentlichen Sitzungen in den Kindergarten. „Die waren super und haben mir zugehört. Wir führten gute Gespräche in einem geschützten Raum.“ Alles, was ihr im Alltag schwerfällt oder auch mal nicht so gut gelingt, kam dabei auf den Tisch. 

Keine Unterstützung

Blickt sie auf den gesellschaftlichen Umgang mit Alleinerziehenden in Deutschland, wird Ulrike Schuster wütend. So hat sie von Politikern schon mal gehört, „dass alleinerziehend zu sein ein selbst ausgewähltes Schicksal ist“. Die Mütter hätten sich ihre Situation angeblich selbst ausgesucht. „Deshalb sollen sie keine weitere finanzielle Unterstützung bekommen.“ 

Im Internet ist Schuster auf Diskussionen gestoßen, wo von Alleinerziehenden als „Familienversagern“ gesprochen werde. „Da fehlt mir jedes Verständnis!“, empört sich die 43-Jährige. Sie fragt: „Warum ist eine Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, eine Familienversagerin?“ Vielleicht habe sie zu Hause häusliche Gewalt erleben müssen.

„Ich wünsche mir gesellschaftlich mehr Akzeptanz für uns“, fordert Schuster. „Wir leisten genauso gute Erziehungs- und Familienarbeit wie jede andere Familie in Deutschland auch! Hier wären ein Bewusstseinswandel und mehr Respekt für uns notwendig, weil unsere Rahmenbedingungen oft schwieriger sind als bei Mutter-Vater-Kind-Familien.“

Es scheint, als habe sich Ulrike Schuster mit ihrem Leben als Alleinerziehende arrangiert. „Ich bin gerne Mutter“, sagt sie ohne zu zögern. Und betont: „Meine Tochter und ich, wir sind eine Familie. Auch wenn wir eine Ein-Eltern-Familie sind. Dazu stehe ich! Wir müssen uns damit nicht verstecken!“

Rocco Thiede

07.05.2021 - Corona , Familie , Politik