Journalist und Helfer mit Herz

"Don Martín" machte es möglich

Er erreicht ein äußerst stolzes Alter: Martin Riedlinger, der langjährige Chefredakteur der Neuen Bildpost, feiert am 7. November in Wien seinen 100. Geburtstag. Ordensleute und eine bolivianische Juristin schildern, wie sich durch seine finanzielle Hilfe ihr Leben zum Positiven gewendet hat.

Für Sonia Alanoca waren jene 1500 Euro ein Segen, mit denen die Bolivianerin 2008 ihre letzten beiden Jahre an der Universität überbrücken konnte. Das Geld stammte aus einem Stipendienfonds des „Neue Bildpost Hilfswerks“, das der langjährige Chefredakteur Riedlinger bis vor wenigen Jahren geleitet hat. Seinen 100. Geburtstag begeht der promovierte Historiker anders, als er sich noch vor Kurzem gedacht hat: im Kreise seiner Familie zwar, aber doch deutlich eingeschränkt durch die Corona-Pandemie.

Rund 35 Millionen Euro hat der Jubilar in seinem langen Leben an Spendengeldern für die Armen und Bedürftigen dieser Welt gesammelt – und immer für die katholische Sache, die ihm so sehr am Herzen liegt. Noch heute versuchen sie trotz Einschränkungen, jeden Sonntag gemeinsam in den Gottesdienst zu gehen, erzählt seine Frau. Seit 64 Jahren sind sie und ihr Martin verheiratet. Als sie sich kennenlernten, war er 35 und sie 17. Zwei gemeinsame Kinder entstammen ihrer Ehe. Ihr Ältester, Internist in Wien, geht im kommenden Jahr in Ruhestand.

Oft marode Infrastruktur

Riedlingers einstige Stipendiatin Sonia Alanoca im fernen Bolivien ist heute Juristin und arbeitet für die Gebietsverwaltung von La Paz. Dort schlichtet die 39-Jährige Streit zwischen zerstrittenen Indiogemeinden, kümmert sich in den Dörfern um die notdürftige Instandhaltung der oft maroden Infrastruktur und verfasst Expertisen für ausländische Nichtregierungsorganisationen, von denen in ihrer Region rund 600 arbeiten. 

„Ich danke Herrn Riedlinger von Herzen für das, was er vor zwölf Jahren für mich und meine Familie getan hat“, sagt Alanoca am Telefon. Als „Don Martín“ hat sich Riedlinger bei vielen Menschen in Bolivien einen Namen gemacht. Inzwischen ist Alanoca Mutter eines dreijährigen Kindes und muss sich nebenbei um den Haushalt und ihre bettlägrige Mutter kümmern. Sie gehört zu den wenigen bolivianischen Frauen vom Stamm der Aymara, die fließend Spanisch sprechen und zudem noch über eine abgeschlossene Hochschulausbildung verfügen.

„Vor allem in den ländlichen Regionen Boliviens ist die Armut frappierend“, sagt Reiner Wilhelm vom Hilfswerk Adveniat in Essen. Er hat einige Jahre in dem Andenstaat gelebt und kennt die Lebensbedingungen dort aus nächster Nähe. Verantwortlich dafür ist sicherlich auch die Misswirtschaft des vor zwei Jahren geschassten so­zialistischen Präsidenten Evo Morales, einem ungelernten Hilfsbäcker und Kokabauern aus dem Hochland.

Hilfe in den Yungas

Von Martin Riedlingers Spendensammelerfolg hat auch sein Landsmann Robert Eckerstorfer OFM aus Arnreit im Oberen Mühlviertel profitiert. Mehrere Jahrzehnte lebte der Ordenspriester in den bolivianischen Yungas in Alto Beni. „Verkündigung und Leben kann man nicht trennen. Als Franziskaner möchte ich dort sein, wo andere nicht hingehen würden“, sagt Eckerstorfer. 

Als in den 1960er Jahren wegen Dürren und des Verfalls der Zinnminen Indios aus dem Hochland ins fruchtbare Tief­land umsiedelten, kamen sie mit dem tropischen Klima nicht zurecht und erkrankten, vor allem an der weißen Lepra, einer tückischen, weil anfangs nicht schmerzhaften Krankheit. Bis heute wirken die Probleme nach. Dass sich vieles gebessert hat, ist auch zahlreichen Sozial- und Gesundheitsprojekten zu verdanken, die Eckerstorfer auf den Weg gebracht hat. 

Der Ordenspriester ist ein Multi­talent: Er kann Autos reparieren, hat Brücken entworfen und beim Bau selbst Hand angelegt, um Kindern den Weg zur Schule zu ebnen. Eckerstorfer kennt sich aus im Straßenbau, in der Landwirtschaft und auch in der Medizin. Seine von Martin Riedlinger mit rund 16 000 Euro unterstützten Projekte setzen in Bereichen an, die wie die Lebensumstände in den Yungas eng miteinander verflochten sind: Wegebau, Landwirtschaft, Gesundheit und Schulbildung.

Leprakranke in Havanna

Freuen konnten sich 2011 auch katholische Ordensschwestern aus Frankreich, die im Norden Havannas, der Hauptstadt Kubas, Lepra­kranke betreuen. Wie hoch der Spendenbetrag war, den Martin Riedlinger für sie sammelte, wollen sie nicht sagen. In dem kommunistischen Land würde das wegen eines vermeintlichen „Devisenvergehens“ sofort die Finanzbehörden auf den Plan rufen.

Der Auslandsnachrichtendienst analysiert regelmäßig kirchliche Publikationen rund um den Globus auf der Suche nach Nachrichten, mit denen sich daheim Kirchenvertreter, Ordensleute und Priester unter Druck setzen oder als Informanten einspannen lassen. Was einst in der DDR die Stasi tat, ist in dem seit 2018 von Miguel Díaz-Canel, dem Nachfolger Raúl Castros, regierten Land immer noch Realität.

Davon allerdings lassen sich die fröhlichen Ordensfrauen schon lange nicht mehr beirren. Für sie gibt es keine Partei, schon gar keine kommunistische, sondern nur den Glauben an Jesus Christus. Mit Riedlingers Spendengeld konnten sie übrigens neue Gemüse- und Obstbeete anlegen. In dem von Mangelwirtschaft und Schwarzmärkten gepeinigten Inselstaat ist das überlebensnotwendig.

Benedikt Vallendar