Den Widerstand der „Weißen Rose“ gegen die Nazis kennt fast jeder. Auch in der DDR gab es eine Art „Weiße Rose“. Sie richtete sich gegen den Stalinismus und die rote Diktatur auf deutschem Boden: Schüler im thüringischen Altenburg bastelten einen Störsender, mit dem sie zu Stalins Geburtstag auf Sendung gingen.
Sie waren jung und brauchten den „Kick“. Mit diesem Vorwurf mussten die Überlebenden noch lange leben. Heute gibt es immerhin einen Gedenkstein auf dem Hospitalplatz in Altenburg, der an jene Handvoll Schüler erinnert, die im Dezember 1949 dem kommunistischen Unrechtssystem der DDR für wenige Monate die Stirn boten. Zwei von ihnen bezahlten den Mut mit ihrem Leben.
1950 wurden sie in einem Keller der sowjetischen Geheimpolizei in Moskau erschossen. „Zu DDR-Zeiten wäre so ein Gedenkstein undenkbar gewesen“, sagt eine Anwohnerin. Das Areal auf dem Hospitalplatz wirkt sauber und gepflegt. Die umliegenden Gründerzeithäuser haben die Jahre unbeschadet überstanden – gediegene Bürgerlichkeit, wo bis zum Herbst 1989 Kommunisten das Sagen hatten.
Widerstand im Keim ersticken
„Die SED tat alles, um den Widerstand gegen ihre Politik im Keim zu ersticken“, sagt die Potsdamer Historikerin Jenny Krämer. Kritik war in dem System nicht vorgesehen. Zensur und Schmalspurdenken bestimmten zu DDR-Zeiten den Alltag vieler Menschen. Die Altenburger Schüler Hans-Joachim Näther, Ulf Uhlig, Gerhard Schmale und Jörn-Ulrich Brödel wollten sich damit nicht abfinden.
Für ihren Mut bezahlten sie einen hohen Preis. In der DDR galten sie als Verräter, die für immer der Vergessenheit anheimfallen sollten. Dem Einsatz eines engagierten Geschichtslehrers ist es zu verdanken, dass dies nicht geschah. Auch durch das Theaterstück „Die im Dunkeln“ aus dem Jahre 2013 kam die Geschichte der Jugendlichen wieder ins öffentliche Bewusstsein.
Das Landestheater Altenburg hatte entschieden, die Geschichte der jungen Leute im Kampf gegen den Kommunismus auf die Bühne zu bringen und damit die Dramaturgin Mona Becker beauftragt. Schmale und Brödel waren von Anfang eingebunden, heißt es: Sie begleiteten die Proben und erzählten den Schauspielern ausführlich ihre Geschichte.
Ihr Mitschüler Hans-Joachim Näther besucht Ende der 1940er Jahre die elfte Klasse der Altenburger „Karl-Marx-Oberschule“. Aus ihr ging nach der Wende das heutige Friedrichgymnasium hervor. Im Frühjahr 1949 gründet Näther mit Mitschülern eine antikommunistische Widerstandsgruppe.
„Anders als ihre Eltern im Dritten Reich wollten sie keine Mitläufer sein“, sagt Historikerin Krämer. Sie wollen sich einmischen, politisch aktiv sein und nicht tatenlos dem Aufbau einer neuen Diktatur in Deutschland zusehen. Ihr Vorbild ist die „Weiße Rose“, jene studentische Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime, die 1943 in München von der Gestapo zerschlagen wurde.
Zunächst kleben die Schüler Flugblätter, auf denen sie mit einem großem F „Freiheit“ und „freie Wahlen“ fordern. Im Sommer 1949 hat Näther einen tollkühnen Plan: Mit einem selbstgebauten Radiosender will er zum 70. Geburtstag des sowjetischen Diktators Stalin auf Sendung gehen.
Heimliche Bastelarbeit
Drei Monate basteln die Abiturienten heimlich nachts, bis das Gerät einsatzbereit ist. Ein Nachbau steht heute im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. „Die Bauteile hatten sie sich auf einem stillgelegten Militärflugplatz besorgt, wo kaputte Wehrmachtsmaschinen herumstanden“, weiß Historikerin Krämer.