„So lange mir Gott den Atem schenkt!“, pflegt er selbst zu sagen. So lange will Erwin Kräutler weitermachen: Als „Amazonas-Bischof“ ist er auf der ganzen Welt bekannt. Mehr als zwei Drittel seines Lebens setzt er sich schon für die Menschen im Amazonasgebiet ein. 35 Jahre war Kräutler Bischof in Xingu. Zwar konnte er diese Aufgabe mittlerweile abgeben, richtig in den „Ruhestand“ ist er aber keineswegs getreten. Am 12. Juli feiert Kräutler seinen 80. Geburtstag.
Xingu, sein früherer Bischofssitz, ist das flächenmäßig größte Bistum Brasiliens. Jede der zehn Pfarreien in diesem Diözesangebiet hat zwischen 30 und 90 Basisgemeinden. Dieses Bistum konnte „Dom Erwin“, wie er in seiner Wahlheimat genannt wird, im Dezember 2015 an seinen Nachfolger, Bischof João Muniz Alves, übergeben. Aber immer noch ist er im Indio-Missionswerk „Cimi“ tätig.
Neue Wege für die Kirche
Gegenwärtig ist er auch im Vorbereitungsteam für die Amazonas-Synode engagiert. Diese Synode, die Papst Franziskus für die Zeit vom 6. bis zum 27. Oktober in den Vatikan einberufen hat, gibt den Bischöfen den Leitgedanken „Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ vor. Der Papst hat zu dieser Synode Vertreter aus allen Ländern im Amazonasbecken eingeladen. Nicht nur Brasilien, sondern auch Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, Surinam, Britisch-Guyana und Französisch-Guyana werden dabei sein. Und es kommen nicht nur Bischöfe: Zur Versammlung sind auch Indigene und Frauen gerufen.
Dom Erwin sieht den Moment gekommen, seine Impulse in die katholische Kirche einzubringen, auch ungewohnte oder gar revolutionäre: Unter Umständen gilt es, neue Wege zu gehen. So werden Überlegungen angestellt, ob wegen des enormen Priestermangels geweihte Laien die Eucharistiefeiern in den extrem entlegenen Dörfern des endlosen Amazonas-Tieflands übernehmen könnten. Im Weiteren ist Kräuter der Schutz der Menschen und der Natur ein großes Anliegen.
Bereits in seiner Mitte Juni 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato Si“ hat Papst Franziskus das ökologische Problem klar benannt: Die Erde sei ein gemeinsames Haus aller Menschen, und jeder trage Verantwortung dafür, dass dieses gemeinsame Haus auch künftigen Generationen erhalten bleibt. Klima- und Umweltschutz seien also nicht einfach Modeerscheinungen, sondern es gehe ums Überleben und um das Bewahren eines „großen Zimmers im gemeinsamen Haus – unserer Erde“. Umweltschutz, Armutsbekämpfung und der Einsatz für Menschenwürde gehörten untrennbar zusammen, machte Papst Franziskus deutlich.
Einen, der die Besitzlosen verhöhnt, sich keinen Deut um Umweltschutz schert und die Folterknechte der einstigen Militärdiktatur lobt, hat Brasilien im vergangenen Oktober zu seinem Präsidenten gewählt. Die westliche Welt war fassungslos.
Eine Mehrheit im südamerikanischen Land hatte den großmäuligen Versprechen des Ex-Militärs Jair Messias Bolsonaro – im Wahlkampf im Kasernenhof-Ton vorgetragen – geglaubt. Sie hatten darauf gehofft, dass mit einer Rechtsregierung die Wirtschaft im Lande anspringen würde.
Nach einem halben Jahr seiner Amtszeit ist die Ernüchterung groß: Die anfängliche Bolsonaro-Euphorie bei potenziellen Investoren erwies sich als ein Strohfeuer. Auch unter dem neuen Regierungschef bleibt Brasilien für Anleger unberechenbar. Viele Brasilianer hatten die Vorstellung, ihr Land bräuchte keine Hilfe von außen. Dabei könnten nur massive Investitionen in die Sektoren Energie, Infrastruktur, Landwirtschaft und Bergbau seinen wirtschaftlichen Abstieg stoppen.
Aber kaum ein Investor mag sein Geld in einem von einem unberechenbaren Hitzkopf regierten Staat riskieren. In einer Umfrage der XP-Investmentbank unter Wirtschaftstreibenden und Investoren sank die Zufriedenheit nach dem Amtsantritt binnen der ersten drei Monate von 86 auf 26 Prozent. Die Währung Real ist so schwach wie zu Zeiten von Bolsonaros Vorgänger. Die Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu. Derzeit sind 12,5 Prozent der Brasilianer ohne Arbeit.
Für den Strukturwandel, wie er überall in der Welt stattfindet, sind die Menschen hier wegen der mangelnden Bildung besonders schlecht gewappnet. Mit der Digitalisierung der brasilianischen Wirtschaft werden noch mehr Menschen ihren Job verlieren.
Unbeliebte Reform
Zweifellos: Dringend notwendig wäre in Brasilien eine Pensionsreform. Zu einer solchen riet der neue Wirtschaftsminister im Kabinett, Paulo Guedes, dem Präsidenten dringend. Der Staat gibt jeden Monat mehr an Sozialleistungen aus, als er einnimmt. Kürzungen sind unumgänglich. Aber die Debatten über die Reform dürfte sich im Parlament monatelang hinziehen – das Thema ist komplex und unpopulär. Wer Rentnern ihre Gelder kürzen will, hat kaum noch Chancen, gewählt zu werden. Es gibt 27 Parteien im über 500-köpfigen Parlament. Die PSL des Präsidenten hat nur zehn Sitze.