Vor 40 Jahren ermordet

John Bradburne: Ein Märtyrer und Clown Gottes

5. September 1979. In Simbabwe haben die letzten Stunden im Leben eines Einsiedlers begonnen. Guerilla-Kämpfer drängen den bärtigen Mann mit langem Haar in den Busch. Dann durchdringen Kugeln aus einer Kalaschnikow den Körper des Eremiten. Kurz darauf begibt sich eine Reihe wundersamer Ereignisse: Ein weißer Vogel flattert über der Leiche, seine Peiniger meinen, Gesänge zu hören, wo weit und breit niemand ist außer ihnen. 

Zum 40. Todestag beginnt jetzt der Prozess zur Selig- und Heiligsprechung jenes Mannes: Wer war dieser John Bradburne, der sich zu Lebzeiten als „Gottes Witzbold“ bezeichnete? Eher selten wird dem Vatikan die Aufgabe zuteil, über das Wirken eines anglikanischen Pastorensohns zu urteilen. Als solcher wurde Bradburne 1921 im englischen Dorf Skirwith geboren. Als Jugendlicher trat er der Armee bei und diente im kolonialen Asien. 

Abenteurer wird Pilger

„Eine Begebenheit in Malaya, man erzählt von einer Bekehrung, verwandelte ihn von einem Abenteurer in einen Pilger“, berichtet die südafrikanische katholische Wochenzeitung „Southern Cross“. Zurück in der Heimat übte der junge Veteran Jobs aus, die zwar sein Überleben sicherten, ihn laut Freunden aber „nur noch unzufriedener“ machten: Müllmann, Straßenmusiker, Totengräber. 

Seine wahre Berufung sah Bradburne im Glauben. 1947 konvertierte er zum Katholizismus – doch er blieb ein Getriebener. Auch die paar Monate, die er im Kartäuser­orden verbrachte, konnten ihn nicht erden. 16 Jahre lang reiste Bradburne­ quer durch Europa, spielte Orgel in Italien, hütete das Haus eines Kardinals in London, pilgerte nach Griechenland und Jerusalem. 

Erst nach seinem Eintritt in den Franziskanerorden suchte er Rat bei einem früheren Kriegskumpanen, der inzwischen Jesuitenpriester im damaligen Südrhodesien war: Ob es dort einen Ort gebe, an dem er sich von der Welt zur Ruhe setzen könne? 1969 fand Bradburne diesen Ort – in Form der Leprakolonie Mutemwa, eine Stunde von Simbabwes Hauptstadt Harare entfernt. Bradburne wurde zum Aufpasser über die „Aussätzigen“ ernannt. 

Bald wurde daraus eine weit größere Mission für die misshandelten Patienten, die aus Angst vor Ansteckung Säcke über den Köpfen tragen mussten. „Er verbrannte die Säcke, wusch ihre Wunden, gab ihnen Essen, Medizin und darüber hinaus ihre Würde zurück“, erinnert sich Pfarrer David Harold-Barry, der mit Bradburne befreundet war. 

Der Einsatz gefiel den Verantwortlichen nicht. Sie warfen Bradburne aus der Leprakolonie und besiegelten damit sein Schicksal. Zu dem Zeitpunkt herrschte bereits seit fünf Jahren Bürgerkrieg. Die Rebellen, die unter dem späteren Diktator Robert Mugabe gegen das weiße Kolonial-Regime kämpften, rückten immer näher an Mutemwa heran.

Den Rat seiner Freunde, sich in Sicherheit zu bringen, ignorierte Bradburne. „Wer würde schon eine Kugel für einen Clown verschwenden?“, sagte er selbstsicher. Als die Guerilla-Kämpfer auf den langhaarigen Einsiedler mit englischen Manieren stießen, der in einer Well­blechhütte hauste, hielten sie ihn für einen Spion. Drei Tage, nachdem Bradburne verschwunden war, fand man seine Leiche in einem Flussbett. 

Damit war die Geschichte um den „Vagabund Gottes“ noch nicht zu Ende. Jetzt bestätigte sich für einige, was sie zu Bradburnes Lebzeiten geahnt hatten. Während der Totenmesse wollen Gläubige mehrere Tropfen Blut unter dem Sarg erblickt haben. Ein Priester, der den Leichnam untersuchte, konnte jedoch kein Blut am Körper entdecken. Auch tauchten Berichte auf, wonach Bradburne Wunder an Kranken gewirkt haben soll. 

Ein Schotte, heißt es, sei nach einem Gebet zu ihm unerwartet einen Gehirntumor losgeworden, eine gelähmte Südafrikanerin habe durch ihn wieder ihre Beine bewegen können. Bradburnes Familie setzt sich seit mehreren Jahren für dessen Selig- und Heiligsprechung ein. Im Mai stimmten Simbabwes Bischöfe ihrer Forderung zu. Nun hat der Prozess im Vatikan begonnen. 

Für das südafrikanische Land kommt die Erinnerung an Brad­burne zu einem Zeitpunkt der politischen Krise und des wirtschaftlichen Verfalls. Grundnahrungsmittel wurden in den vergangenen Wochen unerschwinglich. Ein Liter Benzin kostet bereits mehr als acht Euro. Präsident Emmerson Mnangagwa hat die Hoffnung der Simbabwer nach dem Sturz von Langzeit-Präsident Mugabe 2017 enttäuscht. Proteste lässt er in Tränengas ersticken und mit Knüppeln niederschlagen. 

In dieser Zeit der Not habe Bradburne die Kraft, den Simbabwern Mut zu schenken, ist Pfarrer Harold-Barry überzeugt: „Eines der Dinge, die er uns lehrt, ist, dass es keine Abkürzungen gibt. Er zeigt uns, dass wir unsere Probleme an der Quelle anpacken müssen.“

Markus Schönherr

05.09.2019 - Afrika , Gedenken , Weltkirche