Erzbischof Ludwig Schick im Interview zur Fußball-WM

Titelverteidigung: "Wäre fast ein Wunder"

Am nächsten Sonntag muss Titelverteidiger Deutschland erstmals zeigen, ob auch diesmal bei der Weltmeisterschaft mit ihm zu rechnen ist. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, selbst begeisterter Langstreckenläufer und vielfacher Inhaber des Goldenen Sportabzeichens, zeigt sich in unserem Interview als profunder Kenner des Fußballs. Er macht sich stark für den Sport – auch und gerade aus christlicher Perspektive. Kritisch sieht der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz die Lage bei Gastgeber Russland.

Herr Erzbischof, egal ob Südafrika oder Brasilien: Vor einer Fußball-Weltmeisterschaft haben Sie in Ihrer Funktion als Weltkirchen-Bischof zuletzt immer auch die Lage der einfachen Menschen in den Ausrichter-Ländern angesprochen und die Blicke auf die sozialen Bedingungen gelenkt. Wie ist es um die soziale Gerechtigkeit in Russland bestellt?

Persönlich kenne ich mich in Russland zu wenig aus. Verschiedene unabhängige Organisationen, die die soziale Lage weltweit beobachten, melden seit Jahren, dass nicht wenige Menschen in Russland in Armut leben, es an sozialer Gerechtigkeit mangelt und die Lebensbedingungen für etliche Menschen prekär sind.

Sind Freiheit – auch Religionsfreiheit – und Demokratie im Lande Putins auf westeuropäischem Stand?

Nach allem, was zum Beispiel Human Rights Watch, Amnesty International und andere internationale Beobachter publizieren, gibt es hinsichtlich der Menschenrechte in Russland noch viel Luft nach oben. 

Zuletzt ist der Sport in Russland vor allem durch Doping ganz schwer ins Hintertreffen geraten. Fürchten Sie, das könnte auch die WM belasten?

Jedes Doping ist eine schwere Belastung für den Sport, denn es schafft Ungerechtigkeit und Ungleichheit unter den Sportlern. Doping zerstört die Gemeinschaft und Völkerverständigung. Sportler, die sich dopen, machen sich auch im christlichen Sinne schuldig: Sie schädigen den eigenen Körper, das ist Sünde. Die Verantwortlichen bei der WM müssen sicherstellen, dass die Meisterschaft fair und gerecht stattfindet. Dazu gehören auch strenge Doping-Kontrollen und gegebenenfalls harte Strafen. 

Sie selbst sind dem Sport sehr verbunden und bezeichnen sich selbst als „Sportsmann und Sportbegeisterten“. Dem Vernehmen nach laufen Sie jeden Morgen fünf Kilometer und haben zum 22. Mal mit Bravour das Goldene Sportabzeichen abgelegt. Was bringt Ihnen der Sport?

Das tägliche Laufen am frühen Morgen lässt mich richtig aufwachen, macht mich fit und schenkt mir Wohlgefühl. Beim Sport erwachen Körper, Geist und Seele.

Wann und wie begann Ihre Sportleidenschaft?

Solange meine Erinnerung reicht, war ich sportlich unterwegs. Als ich Anfang der 80er-Jahre nach meinem zweiten Studium in Rom als Professor an der Theologischen Fakultät Fulda und der Universität Marburg begann, habe ich das Laufen und das Schwimmen für mich entdeckt. Ich merkte, dass mir vor allem der Ausdauersport Langstreckenlauf gut tut. So wurde bald eine tägliche Gewohnheit daraus. Dass ich regelmäßig laufe, war also eine Entscheidung aus Erfahrung und Überzeugung: Wer den ganzen Tag über bei seiner Arbeit viel sitzt, braucht einen Ausgleich, um leistungsfähig zu bleiben. Laufen ist meine Art, mit dem Körper und seinen Bedürfnissen nach Bewegung verantwortungsvoll umzugehen. Joggen ist zu meiner liebsten Art des Sports geworden. 

Spielten Sie früher auch selber Fußball, oder ist Ihnen die Leichtathletik lieber?

Schon als Kind habe ich, wie viele andere meiner Altersgenossen auch, Fußball und Faust- oder Volleyball gespielt und habe geturnt. Die leichtathletischen Disziplinen stehen im Mittelpunkt des Sportabzeichens, das ich 1996 zum ersten Mal abgelegt habe. Seitdem ist diese Sportprüfung ein fixer Termin in meinem Jahreskalender.

Stimmt der Spruch „mens sana in corpore sano“ auch im Hinblick auf die Seele?

Ja, für Christen gehören Leib, Geist und Seele zusammen. Im gesunden Körper ist ein gesunder Geist, das ist christliches Prinzip und Ziel. Paulus drückt das im ersten Korintherbrief so aus: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?“ (1 Kor. 6,19). Körper und Geist, Leib und Seele ergänzen sich. Sport hilft der Gesundheit, beflügelt das Denken und auch das geistliche Leben. Wer regelmäßig Sport treibt und betet, weiß um die Wirkung auf den Körper, die Seele und den Geist. 

Als Bischof sind Sie zu möglichster Neutralität verpflichtet. Gleichwohl werden Sie vermutlich erfreut registriert haben, dass ein Verein aus dem Gebiet des Erzbistums Bamberg künftig in der Fußball-Bundesliga spielt. Drücken Sie dem 1. FC Nürnberg die Daumen?

Es widerspricht nicht meinem bischöflichen Amt, dem „Club“ die Daumen zu drücken. Selbstverständlich verfolge ich den 1. FC Nürnberg genau und freue mich sehr über seine Erfolge. Ich bin eingetragener Club-Fan. Dass nach dem hart erkämpften und verdienten Aufstieg nun wieder ein Verein aus unserem Erzbistum in der Bundesliga spielt, freut mich. Hoffentlich bleibt das lange so. Aber als Club-Fan muss man leidenschaftlich und leidensfähig sein.

Und wer wird Fußball-Weltmeister?

Erst zweimal ist es einem Weltmeister gelungen, den Titel zu verteidigen. Ein erneuter Sieg für Deutschland wäre daher fast ein Wunder. Ich tippe auf ein Finale zwischen Deutschland und Spanien. Die beste Mannschaft soll Weltmeister werden! 

Interview: Johannes Müller

08.06.2018 - Bischöfe , Sport