Jesus, Kreuz und Bibelverse auf T-Shirts

Gut angezogen mit Christus

NASHVILLE – In Südamerika gehören sie fast schon zum Alltag, in den USA sind sie der neueste Schrei: T-Shirts mit christlichen Botschaften. Auch nach Europa werden sie zunehmend geliefert. Seit vorigem Jahr gestaltet eine evangelikale Designerin aus Nash­ville die T-Shirts, die Bekleidung und Bekenntnis zugleich sind.

Überall begegnen Touristen in den USA dem Schriftzug „John 3:16“ – auf Fußmatten, als Aufdruck auf Baseball-Mützen, Kaffeetassen und Servietten, auf Anhängern und Amuletten. Schrifttafeln mit dem Text werden bei Veranstaltungen hochgehalten. Ein Fastfood-Laden hat die Formel auf Pappbecher geprägt, eine Bekleidungskette druckt sie auf den Boden ihrer Einkaufstüten. Auch in der Popmusik ist der Ausdruck zu hören: etwa in Titeln von Hip-Hopper Wyclef Jean. 

In deutscher Schreibweise würde der Schriftzug „Joh 3,16“ heißen: Es ist eine Versangabe, die auf das Johannes-Evangelium verweist. Im Englischen wird der Vers gern als „gospel in a nutshell“ bezeichnet, ein Kleinst-Evangelium, das in einer Nussschale Platz hätte. Seine Aussage gilt als „Evangelium im Evangelium“, als konzentrierte Mini-Heilsbotschaft. Alles Wesentliche sei darin vereinigt. 

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“: So lautet die Bibelstelle in deutscher Übersetzung. Der Text stammt aus einem Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus in Jerusalem. Nikodemus, ein Pharisäer, ließ sich aufgrund der Zeichen und Wundertaten Jesu davon überzeugen, dass er der von Gott gesandte Erlöser ist, berichtet der Evangelist.

Wenn der Vers neuerdings auch auf T-Shirts aufgedruckt ist, ist das nicht gerade bahnbrechend und aufsehenerregend. In Mittel- und Südamerika gehört Oberbekleidung mit Bibelzitaten oder Christus-Por­träts fast schon zum Straßenbild. In Nordamerika ist – dank geschicktem Marketing – ein gutes Geschäft damit angelaufen. Per Versandhandel gehen die Shirts auch nach Europa und in den Rest der Welt. Das bestätigen Dankesschreiben auf der Internetseite des „Jesus Gift Shop“ in Nashville.

Wundersame Vermehrung

Schlichte Baumwoll-T-Shirts erfahren dank eines Textilaufdrucks mit einem Kreuz und zwei gespreizten Flügeln eine prächtige Wertsteigerung. Der Preis des Baumwollleibchens vervierfacht sich von acht Dollar auf 32 Dollar. Das ist natürlich ganz im Sinne des „Prosperity Gospels“, der Theologie des Wohlstands, wie diese in den Kirchen des Südens und von den Fernsehpredigern propagiert wird. 

Parallel zum „American Dream“­ versprechen die freikirchlichen Pastoren ein Leben in Gesundheit, geordneten Verhältnissen – und sogar Luxus. Fortschritt, Erfolg und Reichtum seien für jeden Gläubigen erreichbar: Dies sei der Lohn für die Förderung des Evangeliums und der christlichen Arbeit in dieser Welt – und demnach gottgewollt.

Gründerin, Inhaberin und Geschäftsführerin des Jesus-Geschenkeladens im Netz ist Melanie Tipton. „Ich hätte gerne früher schon Sachen mit religiösem Aufdruck getragen, wollte so meine Überzeugung öffentlich kundtun, fand aber keine schicken Teile“, erzählt sie. „Authentische und hippe christliche Bekleidung war nicht aufzutreiben. So entstand die Idee für den christlichen Online-Laden.“

Das Zielpublikum war von Anfang an klar: die „Millennials“, die Gruppe der jungen Erwachsenen, die mit der Jahrtausendwende ins Jugendalter kam. Fast alle pflegen einen technikaffinen Lebensstil. Zwischen 15 und 20 Prozent der etwa 78 Millionen Millennials in den USA dürften christlich orientiert sein. Formelle Kleidung wie Anzug und Krawatte für Männer und brave Kleider für Frauen halten sie für „uncool“. 

Eine zahlreiche und kaufkräftige Kundschaft warte also auf schicke Jesus-Mode, dachte sich Melanie Tipton – und entschloss sich im April 2017, diese Mode selbst zu entwerfen. „Inspirierende Botschaften sollten auf meine Artikel geprägt sein, voller Leben, Lieben, Lachen, Glücklichsein und Vertrauen in Gott“, erzählt sie. „Nach unzähligen Stunden und Bergen von zerrissenen und zerknüllten Entwürfen hatte ich eine Schuhschachtel voll brauchbarer Motive und suchte daraus meine Favoriten für die erste Produktlinie heraus.“

Kritische Betrachter des Angebots im Internet stellen fest, dass Tiptons Ideen nicht überbordend kreativ sprudelten. Auf fast alle Artikel ist das Kreuz mit den gespreizten Flügeln gedruckt. Dieses Bild hat seinen Ursprung beim Propheten Jesaja: „Die auf den Herrn vertrauen, empfangen neue Kraft, wie Adlern wachsen ihnen Flügel“ (Jes 40,31). Auch das Logo „John 3:16“ darf auf fast keinem Produkt fehlen.

Mit Computer und Profi-Grafikprogramm erstellt die rührige Unternehmerin aus dem US-Bundesstaat Tennessee ihre Ausführungszeichnungen für die T-Shirts. „Der enorme Aufwand hat sich gelohnt, denn nun können sich meine Kunden an großartigen Produkten erfreuen – nicht nur in den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch in 238 weiteren Ländern dieser Welt.“

Nun plant Tipton einen christlichen Film. „Wenn Engel weinen: Ringe des Glaubens und des Feuers“ soll der heißen. Ein apokalyptisch anmutender Trailer dazu steht im Internet. Der Film soll aufdecken, wie das Christentum in der ganzen Welt verfolgt werde. Sogar in den christlichen USA sei es Angriffen ausgesetzt. Es handle sich um einen eskalierenden spirituellen Krieg zwischen Gut und Böse, verkündet eine drohende Stimme.

Melanie Tipton, die erfolgreiche Neu-Unternehmerin und evangelikale Geschäftsfrau, ist in Chattanooga in Tennessee geboren und aufgewachsen. Sie besuchte die baptistische Carson Newman University in Jefferson und war in jungen Jahren offenbar eine Sportskanone im College-Softball-Team. In Jefferson erlangte sie ihren Bachelor-Abschluss in Kommunikation und arbeitete dann 15 Jahre lang beim Fernsehen als Sportreporterin. 

Abneigung gegen Obama

Im Kurznachrichtendienst Twitter, wo sie sich als „konservativ“ bezeichnet, macht sie aus ihrer Abneigung gegen Barack Obama und Hillary Clinton keinen Hehl. Aussagen wie „Schusswaffenkontrolle ist nicht die Lösung“ gefallen ihr ausgesprochen gut. Wohl auch deshalb landete sie nach dem Ausscheiden des baptistischen Präsidentschaftsanwärters Ted Cruz in den Vorwahlen – bildlich gesprochen – in den Armen von Donald Trump. 

Dieser pries in seinem Wahlkampf die Bibel als sein Lieblingsbuch. Auf Nachfragen von Reportern konnte der heutige US-Präsident allerdings keinen konkreten Vers daraus zitieren. Er wusste immerhin zu verkünden, dass das Alte und das Neue Testament „gleichwertig“ seien. 

Auch von Papst Franziskus hält die Designerin aus Chattanooga offenbar nicht allzu viel – und ist damit in guter evangelikaler Gesellschaft. Sauer stieß ihr vor allem auf, dass der Argentinier auf dem Stuhl Petri zu den Plänen von Donald Trump erklärte, Mauern zu bauen, um sich vom armen Nachbarn abzugrenzen, sei nicht christlich. 

Den US-Evangelikalen wurde nach Trumps Wahlsieg über Hillary Clinton von ihren Predigern häufig glaubhaft zu machen versucht, Gott persönlich habe den Präsidenten in sein Amt gehievt. Trumps Slogan „Make America Great Again“ (etwa: Amerika wieder groß machen) kommt in den meisten evangelikalen Gemeinden gut an. 

Der millionenschwere Unternehmer im Weißen Haus ist ganz nach dem Geschmack der verschiedenen freikirchlichen Gruppierungen. „Ich bin so begeistert, dass dieser Präsident sich nicht scheut, den Namen Jesu Christi zu erwähnen“, ließ Reverend Franklin Graham verlauten, der Sohn und Nachfolger des kürzlich verstorbenen TV-Erweckungspredigers Billy Graham.  Auch Melanie Tipton dürfte begeistert sein.

Karl Horat

06.07.2018 - Ausland , Hintergrund , Jugend