Hier bei uns in der Altstadt sieht man fast von jeder Ecke, jeder Kreuzung einen Kirchturm“, sagt Egle Kalibataite, die Besucher durch Litauens Hauptstadt führt, exzellent Deutsch spricht und als Übersetzerin arbeitet. Die Zahl der Gotteshäuser in Vilnius beziffert sie auf „über 50“. Die meisten davon sind römisch-katholisch, aber es finden sich auch russisch-orthodoxe Kirchen. Blickfang ist die Kathedrale, die aus den Weiten eines Platzes in ungewöhnlicher Struktur aufsteigt.
Der Glockenturm steht separat vom massigen Baukörper, den man ebenso gut für ein klassizistisches Opernhaus halten könnte. Erhaben wirft sich die leuchthelle Hauptfassade mit ihrer Säulenfront auf. Im Innern führt der Weg in eine barocke, überkuppelte Kapelle für „den einzigen Heiligen mit litauischen Wurzeln“, wie Führerin Kalibataite bekräftigt. Begraben liegt dort der heilige Kasimir, der 1458 bis 1484 lebte. Sein Sterbetag, der 4. März, ist gleichzeitig sein Gedenktag.
Der Schutzheilige von Litauen
Kasimir ist der Schutzheilige von Litauen, aber die Wertung der „litauischen Wurzeln“ eher an eine allzu patriotische Sicht der Dinge geknüpft. Kasimir stammte aus Polen, wo er ebenfalls hohe Verehrung genießt. Geboren wurde er in Krakau als Sohn des polnischen Königs Kasimir IV. und dessen Gemahlin Elisabeth von Habsburg. Der junge Kasimir genoss das Privileg einer christlichen Erziehung, sah sich aber in weltliche Anforderungen verstrickt. Als Teenager, im Alter von gerade einmal 13 Jahren, wurde er von ungarischen Adeligen zum König gewählt, konnte sich vor Ort indes nicht gegen Matthias Corvinus durchsetzen.
Kasimir war im Innern kein Macht- und Karrieremensch, obgleich er von seinem Vater als royaler Nachfolger aufgebaut worden war. Für ihn standen Güte und Menschlichkeit an oberster Stelle, auch als er in Vertretung seines in Litauen weilenden Vaters die Regierungsgeschäfte in Polen führte. Dort erwarb er sich „schnell Anerkennung und Achtung beim Volk als ‚Bruder und Beschützer der Armen‘ wegen seiner Gerechtigkeit und Sittenstrenge“, heißt es im Heiligenlexikon.
Askese und Gebete
Kasimir galt als glühender Verehrer Mariens. Sein Lebensstil war geprägt von Bescheidenheit, Askese, Frömmigkeit und Gebeten. 1481 lehnte er eine Heirat mit der Tochter des deutschen Kaisers Friedrich III. ab, da er Keuschheit gelobt hatte. 1483 folgte er dem Ruf seines Vaters nach Litauen, „wo er vom Volk bald ob seines heiligmäßigen Lebens hoch verehrt wurde“, führt das Lexikon weiter aus.