Mehr als 130 Menschen starben, als sich im Juli 2021 zerstörerische Wassermassen durch das beschauliche Ahrtal wälzten. Die Folgen der verheerenden Flut sind längst nicht beseitigt. Einer, der von Anfang an half, ist Pfarrer Jörg Meyrer. Im Interview erinnert er sich an die Katastrophe und blickt auf den schwierigen Neuanfang danach.
Pfarrer Meyrer, wie haben Sie die Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2021 in Erinnerung?
Ich wusste von meiner Hilfe bei der Feuerwehr an diesem Abend – ich war durch die Durchsagen auf der Straße auf die bevorstehende Ausnahmesituation aufmerksam geworden und habe dann geholfen, das Feuerwehrhaus zu evakuieren –, dass es eine schlimme Nacht werden würde: sieben Meter Hochwasser waren vorhergesagt, doppelt so viel wie 2016. Und damals war es schon schlimm.
Ich weiß noch: Als das Wasser kam – auch da war ich an der Feuerwehr. Die Ahr ging um etwa 23 Uhr über die Ufer. Als ich dann versucht habe, zurück in die Stadt zu kommen, war das Wasser auf der Straße schon kniehoch. Am Ahrtor war es noch höher. Ich bin durchgegangen durch dieses braune, stark strömende Wasser, denn ich wollte ja zurück in die Stadt nach Hause. Da ging es schon bis zur Hüfte.
In Erinnerung ist mir, dass das Licht dann in der Kirche anging – und mit lautem Schlag war dann alles Licht in der Stadt weg. Ich habe mit einem syrischen Mitbewohner versucht, das Pfarrhaus noch ein wenig zu schützen und die Türen abzudichten. Dann kam auch da das Wasser. Ich habe es als laute, stinkende und vor allem dunkle Nacht in Erinnerung. Die Flut habe ich mehr gehört als gesehen.
Manche im Ahrtal sagen, es gebe nun ein Leben vor und eines nach dem 15. Juli 2021. Was sagen Sie?
Unser Leben hat sich in dieser Nacht komplett verändert. Alles, was wir kennen, war am nächsten Morgen völlig anders: Es gab keinen Strom, kein Wasser, für die meisten kein Internet, kein Telefon. Keine Straßen. Unsere Häuser wurden geflutet, voll stinkendem Schlamm, und oft genug hat er alles bedeckt, was unser Leben ausmacht. Unsere Heimat ist vollständig zerstört. Und wir sind immer noch dabei, Normalität wieder herzustellen. Das wird in etlichen Bereichen Jahre dauern.
Sie haben ein Buch über die Flutkatastrophe im Ahrtal geschrieben. Wie kam es dazu?
Ich habe nach der Flut oft nachts noch meine Tageseindrücke bei Facebook eingestellt. Das haben immer mehr Leute gelesen, und ich habe vielen Worte für das Unfassbare gegeben. Der Bonifatiusverlag kam dann im September auf mich zu mit der Idee, ein Buch zu schreiben.
Ich hielt das für verrückt, weil ich das noch nie gemacht habe. Und auch keine Zeit dafür gesehen habe: Wann soll ich das denn machen? Da aber zeitgleich aus zwei anderen Richtungen die gleiche Anfrage kam, habe ich nochmal überlegt. Und schließlich zwei, drei Probe-Abschnitte geschrieben. Für mich hatte es therapeutische Funktion: eine Form des Verarbeitens.
In Ihrem Buch schildern Sie verschiedene Einzelschicksale. Inwieweit ist auch die katholische Kirche im Ahrtal von der Flut betroffen?
Wir haben 22 geflutete Gebäude, darunter drei Pfarrkirchen, zwei Kapellen, drei Kindergärten, zwei Pfarrhäuser. Die ersten Schätzungen gingen von einer Schadenssumme von 22 Millionen Euro aus. Die Gutachten sind nochmal höher. Die ersten Kostenvoranschläge liegen um das Dreifache über den Ansätzen der Gutachten.
So ergeht es nicht nur uns. Damit haben alle zu kämpfen. Dazu kommen die komplizierten Beantragungsverfahren, die langen Wartezeiten auf Genehmigungen, der Handwerker- und Materialmangel. Und die Ungewissheit, mit welchen Zuschüssen wir rechnen können.