In der Sagenwelt der Oberlausitz

Auf der Suche nach Gott

Mutters fester Glaube gab dem Katholiken Wolfgang Kraus stets Halt im Leben. „Vergiss bitte unseren Herrgott nicht. Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Er wird dich immer hören und lieben“, sagte sie stets zu ihm. Aufgewachsen in Kraus im Sauerland. Heute lebt der 68-jährige Architekt in Groß Särchen (sorbisch: Wulke Ždźary) in der Oberlausitz. 

Seine Mutter war Krankenschwester im Knappschaft-Krankenhaus Essen und sah im Zweiten Weltkrieg unsägliches Leid. Kraus’ Vater war gelernter Maurer und Kolping-Wandergesell. Bei Stalingrad geriet er als Soldat verwundet in Gefangenschaft. 

„Er kam später nach Armenien“, erzählt sein Sohn. „In der Gefangenschaft erfror und verhungerte er fast. Beim Versuch, sich Kartoffeln aus einem Lagerfeuer zu holen, ertappten ihn sowjetische Soldaten. Als ihm bei einem Stoß mit dem Gewehrkolben ein kleines Christus-Kreuz aus seiner Tasche fiel, rettete ihm das vermutlich das Leben.“ 

Wolfgang Kraus lebt seit 1996 mit seiner Frau auf dem alten Vorwerk Groß Särchen. Seit 2000 (im Jahr des Festumzugs 626 Jahre Groß Särchen) hat er in verschiedenen Aufführungen über 2500 Mal die sorbische Sagenfigur Krabat verkörpert. Für Touristen, Kindergärten, Schulen, Vereine und Feste versetzt er sich in den sagenumwobenen guten Zauberer hinein. Kraus war zudem 1999 Mitgründer des Vereins „Krabat Dorfclub & Heimatverein Groß Särchen“ – und gehört ihm noch heute an. 

Die sorbische Volkssage „Krabat“ geht auf den kroatischen Leibgardisten Janko Šajatović (1624 bis 1704) aus Žumberak in der Gespanschaft Agram (heutiger Verwaltungsbezirk Zagreb) zurück. „Originaldokumente aus Kroatien, Österreich, Ungarn und Sachsen weisen darauf hin:
Janko Šajatović (deutsch: Johann von Schadowitz) hat tatsächlich gelebt, unter vier sächsischen Kurfürsten gedient und in Groß Särchen auf dem Vorwerk seinen Lebensabend verbracht“, fand der Familiengeschichts- und Erbenforscher Hans-Jürgen Schröter in Wittichenau durch jahrelange Forschung heraus.  

Somit wohnt Wolfgang Kraus heute dort, wo früher der „echte“ Krabat lebte. Mit Schadowitz’ Suche nach Gott bis ins hohe Alter fühlt er sich stark verbunden. Sie erinnert ihn an sein eigenes bewegtes Leben. „Ich bin in einem sehr christlichen Umfeld aufgewachsen“, erzählt der Groß Särchener über seinen Geburtsort Menden-Lendringsen. 

Intensive Osterfeiern

Seit seiner Kindheit war er in der katholischen Pfarrgemeinde St. Josef Messdiener und Jungschärler. In der Jugendarbeit übernahm er Verantwortung im Leitungsteam der Katholischen Jungen Gemeinde. Für Patres in der Mission organisierte er durch Papiersammlungen jährlich Gelder. Besonders intensiv erlebte Wolfgang Kraus Ostern. Um Karfreitag ging er regelmäßig mit der bekannten Kreuzprozession durch Menden. Zudem gestaltete er die Osterfeuer mit. 

Nach der Ausbildung zum Bauzeichner studierte Kraus in Hagen an der Ingenieurschule Architektur. Seine Examensarbeit 1979 befasste sich mit einem fiktiven Neubau eines katholischen Pfarrgemeindezentrums mit Kirche, Vikarie, Pfarrsaal und Kindergarten. Im Pfarrgemeinderat engagierte er sich für die Jugendarbeit, ebenso als Lektor für die Gottesdienste und als Eucharistiehelfer. Im Kirchenvorstand brachte er sich in den Bereichen Bau und Finanzen ein. 

Beruflich leitete Kraus bundesweit Bauvorhaben. 1991 baute er in Leipzig unweit von Auerbachs Keller sein erstes Objekt in Ostdeutschland – vorher war er nie dort gewesen. Von da an war er überall im Osten tätig: Rostock, Plauen, Schwerin, Görlitz, Frankfurt (Oder), Magdeburg, Berlin, Dresden, Weimar, Gera, Gotha, Görlitz – kurzum, in allen größeren Städten der neuen Bundesländer. 

Der Liebe wegen zog Kraus schließlich in die Lausitz – zunächst nach Cottbus, 1996 mit seiner Lebensgefährtin nach Groß Särchen. Seit 2003 ist er als Darsteller des Krabat Botschafter der Oberlausitz. Immer wieder erzählt er dann auch von der historisch verbürgten Person des Johann von Schadowitz. „Den Sinn seines gesamten, sehr bewegten und aufregenden Lebens sah Schadowitz darin, Gott den Herrn zu suchen. Darin sah er seine wahre Bestimmung“, sagt Wolfgang Kraus. „Der Wert dieser Erkenntnis wird mir beim intensiven Lesen in den historischen Büchern und in der Bibel immer wieder klar. Ebenso im Gebet.“

Vom Grabtuch fasziniert

Genauso am Herzen liegt Kraus der europaweit aktive Verein Penuel, der Kreis der wahren Freunde des Antlitzes Christi. Die Geschichte der Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello faszinierte ihn. Er las sich in die Quellen ein und stieß dabei auf den Freundeskreis. „Warum wissen so wenige Menschen von den Grabtüchern und der Botschaft, die sie vermitteln? Warum ist so wenig bekannt? All das bewegte mich“, sagt der Groß Särchener.  

Bei Treffen mit den Penuel-Mitgliedern erzählte er von seiner neuen Heimat im Osten, von Johann von Schadowitz, von der sorbischen Volkssage Krabat, von der besonderen Tiefe des Osterfestes in der Lausitz und von den Osterreitern. So beschloss man: Die Jahreshauptversammlung 2021 des Vereins soll in der Lausitz stattfinden. 

Coronabedingt geht dies zu Ostern nicht. Geplant ist nun der 13. bis 15. August. Dabei will Kraus die deutsch- und die sorbischsprachigen Christen miteinbinden. Besonders hofft er auf die Unterstützung seiner Pfarrgemeinde in Wittichenau und des Krabatdorfs Groß Särchen. Denn: „Schon Krabat lebte in seiner Zeit im Einklang mit seinen Bürgern im evangelischen Särchen und seinem geliebten katholischen Wittichenau inmitten der sorbischen Oberlausitz.“ Andreas Kirschke

Hinweis

Informationen zum Verein Penuel 

findet man unter www.antlitz-christi.de; mehr über Johann von Schadowitz 

und die Krabat-Sage unter 

www.meister-krabat.de.