Grabtuch von Turin

Neue Beweise für Fälschung?

ROM/TURIN – Das Turiner Grabtuch soll mindestens zur Hälfte eine Fälschung sein, berichteten kürzlich Medien unter Berufung auf eine Studie der Universität Liverpool, die im „Journal of Forensic Sciences“ erschienen ist. Experten im Vatikan betonen jedoch, dass es sich wohl eher um eine Übertreibung der Berichterstattung handelt und weniger um wissenschaftliche Auslegungen.

„Was sollte das denn bedeuten: zur Hälfte mit echten Blutflecken und zur anderen Hälfte mit falschen?“, fragt sich die Professorin für Naturwissenschaften Emanuela Marinelli, die mehrere Bücher über die Turiner Reliquie vorgelegt hat und im Vatikan als Grabtuch-Expertin gilt. Die Meldungen der Nachrichtenagenturen stützten sich „auf eine längst bekannte Studie“, erklärt Marinelli im Interview mit dem vatikanischen Nachrichtenportal Vatican News. Die besagte Studie sei vor vier Jahren auf einem Kongress vorgestellt worden. Die Autoren der Studie erklären, dass die Hälfte der Blutflecken der Position eines Gekreuzigten am Kreuz entspreche, die andere Hälfte hingegen entspreche ihr nicht.

Die Studie, die das Grabtuch ins Zwielicht stellt, weist nach Marinellis Überzeugung große Mängel auf. „Sie nehmen eine Schaufensterpuppe, wie man sie in Bekleidungsgeschäften sieht, befestigen an ihrer rechten Brust ein Säckchen mit künstlichem Blut und drücken darauf – das ist das ‚wissenschaftliche‘ Experiment“, erläutert die Expertin. Die Autoren der Liverpooler Studie hätten nichts weiter getan, als die Blutflecken an ihrer Puppe mit denen auf dem Grabtuch zu vergleichen. Aus den Unterschieden schlossen sie: Das Blut auf dem Grabtuch ist teilweise nicht echt.

Als sie vor Jahrzehnten anfing, sich mit dem Grabtuch zu beschäftigen, habe es noch gewissenhafte Experimente an wirklichen Leichen gegeben – jetzt hingegen reiche offenbar eine Schaufensterpuppe, bemängelt Emanuela Marinelli. „Wenn das Wissenschaft ist, dann gebe ich meinen Universitätsabschluss zurück!“ 

Auch müsse man hinzufügen, dass der italienische Wissenschaftler Luigi Garlaschelli, einer der Autoren der Liverpooler Studie, in einem Interview mit einer italienischen Zeitung 2009 sagte, dass seine Arbeiten zum Grabtuch von Atheisten-Verbänden bezahlt werden. „Aber Geld stinkt eben nicht, hat er dann noch hinzugefügt – er wäre auch bereit, einmal für die katholische Kirche eine Studie durchzuführen“, sagt Marinelli über Garlaschelli. Daraus schließt sie: „Wenn er immer noch von falschen Blutflecken spricht, kann das nur daran liegen, dass die Kirche ihn nicht finanzieren wollte. Sonst wäre er zur anderen Seite übergelaufen.“

Erstaunen in Turin

Auch in Turin ist man erstaunt über die Berichterstattung. Der Turiner Erzbischof Cesare Nosiglia spricht von einer unerhörten Kampagne. „Studien und Untersuchungen sind, wenn sie mit wissenschaftlichen Kriterien und ohne Vorurteile geführt werden, ein Ansporn für einen ruhigen und konstruktiven Austausch“, findet Nosiglia. Er erinnert daran, dass das Grabtuch „eine konstante Provokation für die Wissenschaft und Intelligenz“ sei, wie der heilige Papst Johannes Paul II. zu sagen pflegte. 

Auch betont Nosiglia, dass es Aufgabe der Wissenschaftler sei, miteinander zu diskutieren und nicht, ideologische Grabenkämpfe zu führen. Vorurteile und Voreingenommenheit gegenüber Glaubensfragen seien fehl am Platz. Das Turiner Grabtuch sei kein „Objekt des Glaubens“, sondern eine „Hilfe für den Glauben“, erläutert der Erzbischof die Bedeutung des Tuchs, das den Leichnam Jesu nach seinem Tod am Kreuz umhüllt haben soll, bevor er von den Toten auferstanden ist.

Mario Galgano

27.07.2018 - Vatikan , Wissenschaft