Proteste in Nicaragua

Den Hass mit Liebe besiegen

ROM/MANAGUA – Der Informationsaustausch zwischen Nicaraguas Hauptstadt Managua und dem Vatikan war wohl noch nie so intensiv wie in den vergangenen Tagen. Papst Franziskus zeigte sich persönlich betroffen von der tiefen Krise in dem zentralamerikanischen Land. Vor allem die Angriffe auf kirchliche Einrichtungen und der Druck der Regierung auf die Bischöfe sorgen für diplomatische Spannungen.

Bei einer Begegnung mit Nicaraguas Bischöfen in Rom vor drei Wochen hat Franziskus dazu aufgerufen, „die Einheit der Bischofskonferenz zu schützen und dem Volk in seinem Leid nahe zu sein“, sagte Kardinal Leopoldo Brenes von Managua in einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender TV2000. Papst Franziskus bete für das Gelingen dieser schwierigen Mission, fügte er an. Kardinal Brenes bekräftigte, die Bischöfe wollten trotz der heiklen Lage weiter vermitteln.

„Wir wünschen uns, dass der Dia­log wieder aufgenommen werden kann und Früchte trägt. Aber dafür braucht es auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft“, unterstrich der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vor wenigen Tagen in Rom. Der Leiter der vatikanischen Diplomatie, das gesamte vatikanische Staatssekretariat und der Papst verfolgen mit großer Anteilnahme die Lage in Nicaragua.

Allen Appellen der Bischöfe und des Heiligen Vaters zum Trotz gingen auch in den vergangenen Tagen die Sicherheitskräfte und paramilitärische Truppen mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Bei Angriffen auf Studenten, die in einer Kirche in Nicaraguas Hauptstadt Managua Zuflucht gesucht hatten, starben Mitte Juli zwei Demonstranten; mindestens 14 wurden verletzt.

Alles hatte mit Protesten gegen Präsident Daniel Ortega wegen einer inzwischen zurückgenommenen Rentenreform Mitte April angefangen. Anschließend richteten sich die Demonstrationen gegen die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie gegen die staatlich ausgeübte Gewalt. Mittlerweile werden die Proteste von Studenten vorangetrieben, die den Rücktritt des „Diktators“ Ortega fordern. Das Vorgehen des Regimes gegen die Demonstrationen hat zu mehr als 400 Toten geführt; etwa 2000 Menschen wurden verletzt.

Angriff auf Bischof

Selbst die katholischen Oberhirten werden nicht verschont: Der Bischof von Estelì, Abelardo Mata, entkam am 15. Juli nur knapp einem bewaffneten Hinterhalt, der paramilitärischen Truppen zugeschrieben wird. Mata gilt als einer der Bischöfe, die der Linksregierung von Präsident Ortega sehr kritisch gegenüberstehen. Etwa zeitgleich starben bei Auseinandersetzungen in Masaya laut einer Menschenrechtsorganisation zehn Menschen.

Trotz der zunehmenden staatlichen Repressionen gegen Zivilisten und Kirchenvertreter in Nicaragua wollen die Bischöfe den Gesprächsfaden mit Präsident Ortega nicht abreißen lassen. So haben sie den Präsidenten um Klärung der Frage gebeten, welche Rolle er in der politischen Krise für die Kirche sieht. Ortega hatte Nicaraguas Kirche in der vergangenen Woche beschuldigt, gemeinsame Sache mit Putschisten zu machen und deren Vorschlag vorgezogener Neuwahlen als Ausgang aus der politischen Krise entschieden abgelehnt. 

In einem Fernsehinterview mit Fox News legte der Präsident nach: Für die Gewalt paramilitärischer Gruppen gegen Demonstranten und Kirchenvertreter sei er nicht verantwortlich. Dahinter steckten die politische Opposition und Feinde Nicaraguas im Ausland. Zugleich forderte Ortega die Kirche auf, weiter als Vermittlerin in der Krise zur Verfügung zu stehen. Vor dem Hintergrund der Vorwürfe eine Woche zuvor kam das überraschend. Doch dem Präsidenten dürfte wohl klar sein, welch großen Rückhalt die Kirche in der Zivilbevölkerung hat. Einer Zivilbevölkerung, aus der sich inzwischen immer breitere Kreise gegen Ortega mobilisieren.

Der Erzbischof von Managua, Kardinal Brenes, rief die Bevölkerung dazu auf, sich trotz der erlittenen Aggressionen nicht zur Gewalt hinreißen zu lassen. „Gebt den Provokationen nicht nach“, appellierte er bei einer Messe in der Stadt Jinotepe im Norden Nicaraguas: „Wir können den Hass mit der Liebe Christi besiegen.“

Mario Galgano

31.07.2018 - Ausland , Papst , Politik