Der Countdown läuft. Tokio fiebert dem sportlichen Welt-ereignis des Jahres entgegen:
der Sommerolympiade vom 24. Juli bis 9. August. In Japans Hauptstadt werden neue Helden geboren, Rekorde fallen, Tränen rollen. Mehr als 11 000 Sportler werden teilnehmen, 339 Olympiasieger gekrönt – wenn nicht noch ein anderes Fieber die Träume platzen lässt: Das um sich greifende Coronavirus könnte die Olympischen Spiele besiegen.
Dessen ungeachtet sind die Vorbereitungen längst in der heißen Phase: mit Dutzenden Sicherheitsübungen, der generalstabsmäßigen Komplettierung fast aller Sportstätten und der Einweihung des neuen Nationalstadions. Dort steigen die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie, die Leichtathletikveranstaltungen und Fußballspiele. Vielerorts in Tokio stimmen Plakate, Logos und Werbesprüche auf das Großereignis ein. Auf Taxis prangen Aufschriften. Auch der Handel mit bedruckten Shirts, Kissen, Tassen und Plüschmaskottchen ist angelaufen.
„Sport hat die Kraft, die Welt und unsere Zukunft zu verändern“, zitiert der olympische Mediendirektor Kentaro Kato einen Kernsatz der kommenden Spiele. Er erinnert daran, dass Tokio bereits die Olym-piade 1964 ausrichtete – ein Ereignis, das Japan „komplett veränderte“, meint Kato.
Kaum zwei Jahrzehnte nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki präsentierte sich die Nation als Schaufenster der Moderne, gerüstet zum Wiedereintritt in die Weltgemeinschaft und verbunden mit einem wegweisenden Ausbau der Infrastruktur. Gegen den seinerzeit auf die Schiene gebrachten Superschnellzug „Shinkansen“, der exakt auf den Millimeter hält und sekundengenau abfährt, wirken ICEs der Deutschen Bahn wie Provinzbähnchen.
Die Spiele 2020 sollen die „innovativsten in der Geschichte“ werden, auch in punkto Nachhaltigkeit, verspricht Japans Nationales Olympisches Komitee vollmundig. Ein Beispiel ist das „Medaillenprojekt“. Die olympischen Gold-, Silber- und Bronzemedaillen werden aus recyceltem Elektronikabfall hergestellt: Die Teile steckten zuvor in Handys, Computern oder Digitalkameras. Die Siegerpodeste werden ebenso aus recycelten Materialien gefertigt sein. Und die Matratzen in den Apartments im Olympischen Dorf werden wiederverwertet.
Barrieren sollen fallen
„Barrierefreiheit“ ist ein weiteres Schlagwort der Organisatoren, zumal auf die „normale“ Olympiade die Paralympics vom 25. August bis 6. September folgen. Da sollen Barrieren nicht nur in der Stadtlandschaft, sondern auch in den Köpfen fallen: das Anderssein als Teil der Normalität im zwischenmenschlichen Umgang.
Die mit etwa 40 Millionen Einwohnern größte Metropolregion der Welt setzt auch verstärkt auf grüne Akzente: ob im Olympischen Dorf, das in attraktiver Lage an die Bucht von Tokio stößt, oder am neuen Nationalstadion. Alleine zwischen den äußeren Stützpfeilern des Stadions sind tausende Sträucher und Bäumchen gepflanzt worden. Auch entlang der Absperrgitter der Außenumgänge grünt und blüht es. Nach Abschluss aller Wettbewerbe sollen Besucher am Stadion frei umherspazieren können – als Ersatz für einen Olympiapark, der hier, im Gegensatz zu anderen Olympiastädten, nicht vorgesehen ist.