Ein Erfahrungsbericht

So gelingt der Alltag mit Kind während der Corona-Zeit

In Zeiten der Corona gestaltet sich der Alltag immer schwieriger. Angesichts von Schul- und Kitaschließungen, Veranstaltungsverboten und reduzierten sozialen Kontakten bleibt vielen nur die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten. Wie Berufsleben und Familie irgendwie unter einen Hut gebracht werden können, zeigt der sehr persönlich gefärbte Erfahrungsbericht von Rocco Thiede und Catarina Hofmann-Thiede:

Normalerweise sehen wir uns morgens an einem Tag in der Woche nicht. Dann muss ich eher los als die Sechsjährige. Der Vater muss einspringen. Dann lege ich auf seinem Platz als kleinen Gruß ein Gesicht aus Rosinen, Kiwi, Möhren, Kohlrabi, Gemüse, Nüssen – was gerade da ist. Das wird es jetzt mindestens fünf Wochen nicht geben. 

Wir werden nun jeden Tag zusammen frühstücken. Und wenn uns die Nachrichten schlafen lassen, werden wir sogar ausgeschlafen sein. Wie oft wünscht man sich in der Mühle des Alltags eine Auszeit, einmal morgens trödeln und alles langsam angehen? Jetzt ist diese Zeit da – und keiner ist froh.

Nicht immer nur Nachrichten lesen!

Hat man sonst eine Auszeit, wird sofort gepackt und man verreist. Jetzt bleiben wir zu Hause und gehen so wenig wie möglich nach draußen. Die Kleine hilft uns, die Fassade zu wahren, nicht immerzu die Nachrichten zu lesen, nicht immerzu mit den Großeltern und Urgroßeltern telefonisch in Kontakt zu sein, nicht zu weinen über die unbegreifliche Rasanz der Weltänderung. 

Das Kind will spielen, es fordert uns, es will etwas erleben. Im August eingeschult, ist es von der Schule noch total begeistert. Was machen wir jetzt mindestens fünf lange Wochen lang, wenn es keine Freunde treffen kann, alle Zoos, Museen und Schwimmbäder geschlossen haben?

Aufgaben von der Schule

Die Schule schickt per Internet Aufgaben. Da können wir ein bisschen rechnen, ein bisschen schreiben und lesen üben. Und dann? Eine Lehrerin schrieb als Hausaufgabe, die Kinder sollten mindestens jede Woche ein Bild malen oder zeichnen, wie es ihnen geht, was sie fühlen, was sie machen: Ventile finden für sich in dieser surrealen Zeit.

Vielleicht müssen wir auch Dinge ausprobieren, gegen die wir uns bisher gewehrt haben. Die Ergebnisse von Mathematik-aufgaben am Computer auszurechnen? Das empfand ich bisher für Sechsjährige als zu früh. Jetzt muss es wohl sein. Die Lehrerin hat einen Einwahlcode mitgeschickt. Aber was ist mit den Familien, die keinen Computer für ihre Kinder haben? Handys haben fast alle – aber Laptops?

Der Tag muss Struktur bekommen

Unser Tag muss eine Struktur bekommen, sonst fließt uns die Zeit davon und wir wissen nicht, was wir gemacht haben. Von den größeren Geschwistern gibt es LÜK und Mini-LÜK, ein Lernspiel, mit dem sich das Kind allein beschäftigen kann. Das Spiel kann richtig anstrengend sein. Von Vorschule bis Grundschule gibt es passende Aufgabenhefte. Je eine halbe Stunde braucht das Kind. Wir haben noch eine Kindertafel und Puppen: eine halbe Stunde Schule nachspielen geht also auch. 

Spielen überhaupt ist das Wichtigste für Grundschulkinder. Oft kommt das an den Wochentagen zu kurz, wenn nach dem Schultag noch Hausaufgaben, einkaufen oder Musikschule anstehen. Jetzt ist viel Zeit fürs Spielen. Das heißt für uns also: das alte Puppenhaus vom Dachboden holen und alte Spielsachen heraussuchen.

Neben dem Spielen braucht das Kind Bewegung. Das geht gut, wenn man es am eigenen Frühsport beteiligt. Handy-Apps geben Anleitung für ein kleines Training. Mit der passenden Musik fangen Kinder oft von allein an zu tanzen. Das hat auch etwas Befreiendes. Das Trampolin im Garten kann vom Restlaub befreit werden und nun eingesprungen werden – oder man ordert schnell ein kleines Exemplar für das Kinderzimmer. 

Was wollte man schon immer mal machen?

Wir fragen uns: Was wollte man schon immer mal machen, hat aber einfach nicht die Zeit dazu gefunden? Wir wollten schon immer mal Ketten basteln, haben Perlen gesammelt. Wir haben auch noch etwas Ton und jede Menge Farben. Das Kind möchte für Ostern schmücken.

Wir können Eier auspusten, anmalen und aufhängen. Heute habe ich Samen und Pflanzen gekauft und wir spielen damit eine Stunde Gartenbau. Die Balkonkästen werden bepflanzt. Zudem haben wir Holzvorräte aus dem nahen Wald gesammelt, aus denen die Kleine etwas basteln oder bauen kann. 

Gottesdienste zu Hause

Die „Sendung mit der Maus“ kommt jetzt täglich. Das wird unser neues Ritual. Auch Radiosendungen für Kinder rüsten auf. Gottesdienste werden nun ebenfalls zu Hause gefeiert. Radio Horeb strahlt sie täglich aus. An den Wochenenden können die Heiligen Messen auch vom Deutschlandfunk und vielen ARD-Sendern aus den Landesfunkhäusern gehört werden. Wer schon einmal im Krankenhaus oder Sonntagvormittag im Auto unterwegs war, weiß diese qualitätsvollen Sendungen sehr zu schätzen. 

Sicher fehlt in keinem christlichen Haushalt ein Kruzifix. Ob an der Wand, auf dem Tisch oder als Halskette: Beten gibt gerade in diesen unsicheren Zeiten Halt und Trost – auch für Kinder. Neben den Tischgebeten sind kleine Hausandachten oder ein tägliches Vaterunser zusammen mit den Kleinen eine gute Möglichkeit, sich dieser Tradition wieder anzunehmen.

Nähen und Musik machen

Und wir können uns auf weitere gute alte Dinge besinnen: Die Kleine hat gerade gelernt, Knöpfe anzunähen. Jetzt näht sie kleine Taschen aus Filz. Sie hat eine Häkelliesel und häkelt lange Schnüre. Sie hat Sticken entdeckt, was gerade wieder im Kommen ist. Vielleicht kann sie sogar richtiges Häkeln oder Stricken lernen. 

Man muss nur den Topfschrank öffnen und die Kochlöffel ausgeben – schon sind die Kinder animiert, Musik zu machen. Wir haben von Reisen eine kleine Instrumentensammlung: ein etwas geheimnisvoller Schrank, der jetzt geöffnet werden kann. Wann kommt man im Wochenalltag zwischen Arbeit, Kita oder Schule schon einmal dazu, gemeinsam zu musizieren?

Als Eltern können wir größere Projekte angehen, die wir bisher immer auf die lange Bank geschoben haben: die Garage entrümpeln oder einmal den Keller aufräumen. Auch hier können Kinder, je nach Alter, sicher gut einbezogen werden. Sie können sich dabei freuen, wenn sie alte Dinge wiederentdecken. Oder der Frühjahrsputz kann begonnen werden – die Kinder lieben Sprühflaschen.

Fotos und Filme schauen

Endlich wäre die Zeit, sich alte Fotos anzusehen oder selbst aufgenommene Familienfilme zu schauen. Die Frage ist, ob man die Muße dazu hat. Aber jede Art von Ablenkung tut gerade gut! Auch alte DVDs kann man ausgraben, Angebote für Film-Abonnements sind so gefragt wie nie zuvor. 

Wenn Geschwister im Haus sind, werden die neuen häuslichen Betreuungsherausforderungen leichter. Die Kinder können dann so viel unter- und miteinander machen. Bei uns gab es eine Zeitlang immerzu Zirkusvorstellungen: Buden bauen unter Tischen, Kissenschlachten, alte Brettspiele, Puppentheater spielen, Käferhäuser bauen.

Gut einbeziehen kann man die Kinder auch beim Vorbereiten der Mahlzeiten, beim Kochen und Backen. Dann kann es sogar – wie bei uns kürzlich – vorkommen, dass das kleinste Kind morgens den Tisch eindeckt. An meinem Platz lag dann etwas, was ich von mir selbst kenne: ein lustiges Essensgesicht aus Bananen und Tomaten.

Die Autoren:

Rocco Thiede und Catarina Hofmann-Thiede wohnen am Berliner Stadtrand und sind Eltern von sechs Kindern. Ihre älteste Tochter, Deutschlehrerin in Bologna, ist besonders von der Corona-Krise betroffen (siehe gegenüberliegende Seite). Ein Sohn ist im Schüleraustausch in den USA – Zukunft ungewiss. Die 22-jährigen Zwillinge mussten wegen der Corona-Krise ihr Praktikum unterbrechen. Und wann die 18-Jährige Abitur machen kann, ist völlig unklar. Die sechsjährige Schulanfängerin begegnet der Ausnahmesitua­tion mit Fleiß und Eifer.

26.03.2020 - Corona , Deutschland , Familie