Jahrmarktbuden und ein Blick in die Ferne

Tag 5: Am letzten Tag in Zakopane

Am fünften Tag unserer Reise fahren wir mit einem Bus nach Zakopane. Nach der Messe im Sanktuarium Matki Bozej Fatimskiej sehen wir uns das touristische Zentrum der Kleinstadt an. Auf der langgezogenen Kuppe der 1126 Meter hohen Gubalówka, einem der Hausberge von Zakopane, ist Jahrmarkt. Eine grellbunte aufblasbare Riesenrutsche, auf den Wulsten des Geländers bekrönt mit Palmen, versperrt jegliche Aussicht ins Tal. Mit der Standseilbahn sind wir zu zwölft zur Bergstation gefahren, während sich der andere Teil unserer Gruppe unten im Ort vergnügt. Bis zur Abfahrt unseres Busses zurück nach Krakau bleiben insgesamt nur etwa drei Stunden.

Ich mache mich mit Stefan auf den Weg. Der 28-Jährige ist Altenpfleger und hat auf unserer Reise bei den täglichen Gottesdiensten ministriert. Wenige Meter weiter auf der von Ständen gesäumten Straße treffen wir Schwester Theresia, die sich uns anschließt. Wir entscheiden uns, an den Buden entlang bis zu einem Waldstückchen zu gehen, auf der Suche nach einem Fleckchen unbebauter, weniger überbevölkerter Natur. 

Gedränge und Stände mit Souvenirs

So schieben wir uns durchs Gedränge, an Ständen vorbei, die alle möglichen Souvenirs und nützlichen Dinge anbieten: von Holzschnitzereien über Magnetkärtchen mit Fotos von den Bergen bis zu Armbändchen und Kleidung. Wo kommen heute, an diesem Freitag Mittag um halb eins, die vielen Leute her? Im Vergleich mit dieser schmalen Marktstraße auf dem Berg war die Fußgängerzone von Krakau ein einsamer Ort gewesen.

Die Gubalówka der Wanderer und Naturfreunde

Doch meine Hoffnung auf ein paar Quadratmeter im Grünen geht in Erfüllung. Vorbei an Gasthäusern und am Neubau eines kleinen Berghotels erreichen wir einen Schotterweg, der uns in ein kleines Wäldchen führt. Auf einmal sind kaum mehr Menschen um uns herum. Hier hört man auf der Wiese Grillen zirpen, hier beginnt die Gubalówka der Wanderer und Naturfreunde.

Ein weiter Blick übers Land – über Zakopane bis zur Slowakei

Auf unserem Spaziergang machen wir an zwei Stellen Halt: nach Norden überblicken wir hinter grünen Weiden das dicht besiedelte, hügelige Land und in der Ferne den Gebirgszug der westlichen Beskiden.

Auf dem Weg zurück ins Bergdorf genießen wir den Blick nach Süden über die Talksenke von Zakopane, die 28 000 Einwohner große Stadt am Fuß der Kette der hohen Tatra mit ihren bewaldeten Hängen, schroffen Felsen und von mattem Grün überzogenen Flanken. Auf der anderen Seite dieser bis 2500 Meter hohen Riesen liegt die Grenze zur Slowakei.

Zurück im spätsommerlichen Getümmel der Bergtouristen machen wir uns auf die Suche nach einer Kleinigkeit zu essen. Für mich gibt es einen Spieß mit – da konnte man zuschauen – an einem Hobel girlandenartig geschnittenen frittierten Kartoffel, mit Salz und Paprika gewürzt. Stefan genehmigt sich ein Stück geräucherten Käse, der im Schälchen, mit Preiselbeeren angerichtet, serviert wird. Beide sind wir sehr zufrieden mit unserer Wahl.

Auf der Pilgerreise hat mir nichts gefehlt

Schließlich bleibt noch eine gute halbe Stunde, um noch etwas zu trinken. Auf der Sonnenterrasse eines Restaurants bestellen wir leckere Limonade. Zwischen den Eiswürfeln schwimmen Scheiben von Äpfeln, Orange und Limone im Glas. Ich habe wieder einmal den Eindruck, dass es mir auf dieser Pilgerreise an nichts fehlt – und habe Gelegenheit, Sr. Theresia, die mir gegenübersitzt, für die Organisation unserer Fahrt zu loben: „Das Programm war für mich sehr ausgewogen. Es gibt nichts, was mir an diesen vier vergangenen Tagen gefehlt hätte“, sage ich.

Sie nimmt das Lob mit einem Lächeln entgegen und meint: „Ein paar mehr Kirchen hätten wir schon anschauen können.“ Das mag stimmen. Andererseits haben wir jeden Tag die Heilige Messe gefeiert. Dass wir nicht geistlich gut unterwegs gewesen wären, kann man uns wirklich nicht nachsagen. Und schließlich sollte unsere Reise ja auch kein Marathon sein, wie Bischof Bertram beim Stadtspaziergang so treffend gesagt hat. Den letzten Abend unserer Reise lassen wir in einem noblen Traditionsrestaurant nicht weit vom Hauptmarkt in Krakau ausklingen. Und dann heißt es packen, weil es am nächsten Tag nach Hause geht.

Ulrich Schwab

19.09.2020 - Bistum Augsburg , Papst , Pilgerreise