Klosterkirche Maria Einsiedeln:

Vom Himmel selbst eingeweiht

Die barocke Klosterkirche von Einsiedeln mit ihrem Gnadenbild der Schwarzen Madonna ist das wohl bekannteste Wallfahrtsziel der Schweiz. An diesem Samstag feiert das Kloster sein höchstes Fest, die Engelweihe. Es erinnert an die Überlieferung, wonach am 14. September 948 Christus in Begleitung von Heiligen und Engeln die Kapelle geweiht haben soll.

Die Benediktinerabtei ist keiner Diözese zugeordnet, sondern bildet eine Territorialabtei. Innerhalb der Anlage findet sich eine renommierte Pferdezucht, die im Laufe von wohl 1000 Jahren eine eigene Pferderasse hervorbrachte. Das Gestüt im Klosterkomplex ist frei zugänglich. Die Warmblüter des Klosters sind imposante Erscheinungen und ziehen alle Blicke auf sich. 

Die meisten Besucher sind solch mächtige Pferde mit einer Schulterhöhe von rund 170 Zentimetern nicht gewohnt – und bleiben darum auf respektvoller Distanz. Dabei sind die hier gezüchteten fuchsfarbenen oder braunen „Cavalli della Madonna“ in der Regel eine Seele von Pferd.

Augenfällig ist ihr stabiler Körperbau. „Der Einsiedler fällt aber vor allem durch seinen guten Charakter auf: es ist ein ausgeglichenes Pferd mit einem großen Herzen, das für seine Leute durchs Feuer geht. Es zeichnet sich durch Vielseitigkeit und Gutmütigkeit aus, ist geduldig, freundlich, lernwillig, leistungsbereit – und nicht nachtragend“, notierte einst Pater Ulrich die Wesensmerkmale der Klosterzüchtung. 

Anfänge im neunten Jahrhundert

Die Anfänge Einsiedelns als Kloster und Pilgerziel liegen im neunten Jahrhundert. Der heilige Meinrad zog sich in die Wildnis zurück, um sich als Eremit ganz Gott zu widmen. 861 soll er der Legende nach von Räubern ermordet worden sein. Eberhard, Dompropst von Straßburg, kam 934 an die Stätte, um hier eine Klostergemeinschaft nach der Benediktinerregel zu gründen. Er dürfte in seinem Tross die ersten Pferde mitgebracht haben. 

Die ersten Mönche in der Abgeschiedenheit des Waldes waren Selbstversorger. Sie hielten Vieh und leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Entstehen der heute erfolgreichen Rinderrasse „Schwyzer Braunvieh“. 14 Jahre später reiste der Konstanzer Bischof Konrad I. an, um die Klosterkirche zu weihen. Auch der Augsburger Bischof Ulrich war anwesend.

Am jenem Tag, dem 14. September 948, soll sich die „Engelweihe“ ereignet haben. Als Konrad die Kirche weihen wollte, soll aus der Höhe eine Stimme erklungen sein, die gerufen habe: „Höre auf, höre auf Bruder, die Kapelle ist göttlich eingeweiht.“ Diese sich in Windeseile verbreitende Geschichte war der Grund für die daraufhin einsetzenden Wallfahrten.

Durch großzügige Schenkungen deutscher Fürsten gelangte das Kloster zu Reichtum. Der Klostervorsteher regierte alsbald als Fürstabt. Ab dem 13. Jahrhundert wurden nur mehr Söhne des Adels ins Kloster aufgenommen. Der erste Hinweis auf eine bereits namhafte Pferdezucht findet sich in der Rechtsverleihung vom 24. Februar 1064 durch König Heinrich IV. 

1314 wurde das Kloster Einsiedeln im Streit um Gemarkungen von Schwyzer Bauern erobert und geplündert. Der Herzog von Österreich, Leopold I., der Schirmvogt des Klosters war, griff daraufhin die Innerschweizer an, unterlag ihnen aber 1315 in der Schlacht am Morgarten. Das Kloster verlor in der Folge einen beträchtlichen Teil seines Landbesitzes. 

Wiederbelebung durch Wallfahrt

Während der Reformationswirren verließ 1526 der letzte Mönch das Stift. Mit den immer populärer werdenden Wallfahrten zur Schwarzen Madonna erfuhr es eine Wiederbelebung. Schwarz wurde das berühmte Gnadenbild, das in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstand, übrigens im Verlauf der Zeit durch den Ruß des Kerzenrauchs.

Im Zuge der Gegenreformation stieg die Zahl der Mönche kontinuierlich an. Bald war das Kloster zu klein. Die heutige barocke Anlage war im Jahr 1734 im Wesentlichen vollendet. Im Bereich der Pferdezucht wurde 1767 der großzügige barocke Marstall fertiggestellt. Bald darauf, 1784, begründete Pater Isidor Moser das Gestütbuch.

Pferde schwanden mit Französischer Revolution

Die Folgen der französischen Revolution führten zur größten Zäsur in der Geschichte des Klosters: Als Napoleon 1798 die Schweiz eroberte, flüchteten die Mönche samt Schwarzer Madonna. Das Kloster wurde geplündert und alles, was nicht niet- und nagelfest war, weggetragen. Nach dem Abzug der Franzosen kamen die Mönche zurück. Pferde waren keine mehr da. 

Die Zucht konnte später dank der bei Bauern wiedergefundenen Stuten fortgesetzt werden. Anders als in der Vergangenheit kommen die Warmblüter aus dem Klostergestüt heute weniger als Arbeits- und Zugpferde zum Einsatz. Sie werden eher beim Pferdesport und für Ausritte geschätzt. Im Kloster können Reitstunden gebucht werden. 

Einen Aufschwung erfuhren die Wallfahrten mit der Inbetriebnahme der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts. Einsiedeln entwickelte sich zum religiösen Zentrum der katholischen Schweiz. Heute besucht jedes Jahr eine halbe Million Menschen Dorf und Kloster. Doch Mönche, gerade junge, sind wieder rar geworden. „Bei meinem Eintritt im Jahr 1962 zählte unsere Gemeinschaft 200 Mönche. Jetzt sind wir noch 43“, erzählt der 76-jährige Pater Lorenz.

Karl Horat

13.09.2019 - Tiere , Wallfahrt