Es war die Kuckucksuhr, die den Schwarzwald in aller Welt berühmt gemacht hat. Tausende von Tüftlern hatten die tönenden Zeitmesser dort einst hergestellt. Heute gehört das Uhrmacherhandwerk zu Deutschlands immateriellem Kulturerbe. Das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen dokumentiert seine abwechslungsreiche Geschichte. Wer will, kann dort seit neuestem auch mit fachlicher Hilfe seine eigene Kuckucksuhr fertigen.
„Kuckuck, Kuckuck.“ In Furtwangen ruft es so nicht aus dem Wald, sondern laut durchs Deutsche Uhrenmuseum. Unweit des Eingangs tönt alle Viertelstunde ein stimmgewaltiger Vogel, der für die Kuckucksuhr werben soll, den Schwarzwälder Verkaufsschlager.
„Anfang des 20. Jahrhunderts stammte weltweit jede dritte Uhr aus dem Schwarzwald“, weiß man im Museum, das tägliche Führungen durch seine Sammlung anbietet. Verkauft wurden die Uhren in alle Welt. Vor allem nach Frankreich, Amerika, Russland – und England, wo die im Schwarzwald gefertigten Zeitmesser hochgeschätzt waren und zahlreiche Schwarzwälder Uhrenhändler eigene Geschäfte hatten.
Eine Erfolgsgeschichte
„Kuckuck, Kuckuck.“ Auch an der Wand gegenüber der Museumskasse schreien Holzvögel in traditionellen und modernen Uhrenrahmen um die Wette. In Massen hängen sie dort zum Verkauf, schließlich ist die Kuckucksuhr noch immer ein beliebtes Schwarzwald-Souvenir. Auf dem großen Tisch daneben basteln Männer, Frauen und Kinder an ihren eigenen Kuckucksuhren.
Es ist ein Angebot des Museums an kleine und große Gruppen, in drei bis vier Stunden ganz individuelle Kuckucksuhren zu schaffen – Unikate, die zu Hause was hermachen oder als ganz besonderes Geschenk Eindruck schinden. Die Zutaten freilich sind immer die gleichen: ein vorgefertigter und naturbelassener Korpus aus Holz, zwei Gewichte, ein Zifferblatt samt Zeigern, zwei Batterien und ein Pendel.
Zur Einstimmung auf den Workshop gibt es eine kleine Führung durchs Museum, in dem viele Hundert Uhren das gewichtigste Handwerk im Hochschwarzwald dokumentieren. Seine Anfänge wähnt man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wo und wann allerdings weiß niemand genau. „Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gab es zahllose Händler, die Schwarzwalduhren in aller Welt verkauften“, sagt Eva Renz, die Sprecherin des Museums. „Erfolgsrezept war schließlich der Preis und die Massenfertigung.“
Schon um 1840 gab es zwischen St. Georgen und Lenzkirch rund 1000 Werkstätten mit etwa 5000 Beschäftigten, die jährlich mehr als eine halbe Million hölzerner Uhren fertigten. 1850 startete in Furtwangen schließlich die erste Uhrmacherschule ihren Betrieb, die sich der Ausbildung der Lehrlinge verpflichtet hatte und den Grundstein für die Expansion der Schwarzwälder Uhrenfabrikation legte. Noch im gleichen Jahr rief der Schuldirektor zu einem Wettbewerb für zeitgemäßes Uhren-Design auf.
Prototyp der Kuckucksuhr
Dem drückte letztlich ein Architekt seinen Stempel auf, der für gewöhnlich Bauten für Badens Staatseisenbahnen schuf. Kurzerhand versah er deshalb ein hölzernes Bahnwärterhäuschen mit einem Zifferblatt, womit er den Prototypen der Kuckucksuhr in Form eines Häuschens schuf. Ein Jahrzehnt später schwand die streng architektonische Form der Uhr, prägten Schnitzereien aus Pflanzen und Tieren mehr und mehr das Bild der mechanischen Kuckucksuhren, an die man Gewichte in Form von Tannenzapfen hängte.
Tradition und Mode
Ein bisschen ähnelt auch das hölzerne Gerippe der Uhren diesem Typ, die im Uhrenmuseum auf dem Tisch vor den Teilnehmern des Workshops liegen. Eine Handvoll großer Blätter und ein Vogel warten jetzt darauf, ganz individuell bemalt zu werden. Während die einen ihre angehenden Zeitmesser mit Braun und Grün bepinseln, so wie sich die traditionellen Kuckucksuhren häufig zeigen, tauchen andere ihre Kuckucksuhr in knalliges Pink, Rot oder Orange. Für sie ist die Uhr ein Kunstobjekt, ein modisches Design, das zum Hingucker werden soll.
Für die anderen ist die Kuckucks-
uhr ein Stück Tradition: ein nostalgisches Wohlfühlobjekt, das seine Funktion schon lange an sogenannte Smart Watches abgetreten hat. An schlaue Uhren, die mit Computern global vernetzt sind und über Sensoren messen, wie ihr Träger sich fühlt. Deren Prototypen sind selbst schon museumsreif und in Furtwangen zu bestaunen – so wie die erste Quarzuhr der Schwarzwälder Firma Junghans, die 1967 ein neues Zeitalter deutscher Uhrengeschichte einläutete.
Konkurrenz aus Fernost
Die neuen Armbanduhren wichen nur eine Zehntelsekunde am Tag beziehungsweise eine Minute pro Jahr von der Zeit ab. Im Gegensatz zu den mechanischen Uhren, die schon nach einer Woche von der originären Zeit gehörig abwichen. Für viele Hersteller mechanischer Zeitmesser war das der Todesstoß. Auch für zahlreiche Schwarzwälder Betriebe, die angesichts der neuen Konkurrenz aus dem Fernen Osten, wo man die Quarzuhren preiswert und massentauglich fabrizierte, aufgeben mussten.