Deutschlands schönste Wanderstrecke

Zu Bädern, Burgen und Bergen

Als Kurstadt war Baden-Baden einst weltberühmt. Casino-Vergnügen und heiße Bäder standen hoch im Kurs. Jetzt entdeckt die Stadt mehr und mehr auch den Schwarzwald, der einen Großteil ihrer Fläche ausmacht. Den passenden Rückenwind bescherte kürzlich das Deutsche Wanderinstitut: Es kürte einen rund 45 Kilometer langen Rundkurs um Baden-Baden zur schönsten deutschen Weitwanderstrecke des Jahres 2020.

Ganz in weiß, von Blumen umgeben und von Fahnen umweht, zeigt sich Baden-Badens Kurhaus. Acht korinthische Säulen sind seine  Schokoladenseite. Drinnen locken in barocker Opulenz die Spielsäle, ausgestattet nach dem Vorbild französischer Königsschlösser. Früher durfte nur hinein, wer Anzug und Krawatte trug. Heute reichen Hemd und Sakko.

Rein in die Natur

Diesen neuen Geist spüren auch Spaziergänger. Statt durch den Kurpark geht es heute auf die Schwarzwald-Höhen. Raus aus der Stadt, in der man nur nächtigt. Rein in die Natur – ein Trend, den Covid-19 beflügelt hat. Dabei ist der neue Panoramaweg eigentlich ein alter. Schon 1997 hatte das Forstamt die Route erschlossen, die man jetzt aber noch einmal neu justiert hat.

Der Panoramaweg ist nun in vier Tagesetappen zwischen acht und 14 Kilometern eingeteilt, bergauf und bergab. Dabei wurden die Routen so konzipiert, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln immer wieder in die einzelnen Teilstrecken ein- und aussteigen kann. Durchgängige Wegmarkierung ist ein grüner Kreis auf weißem Grund.

Start ist am Kurhaus

Die erste Etappe ist zum Eingewöhnen, auch zum Kennenlernen der Stadt, gut neun Kilometer lang. Ein bisschen in die Beine gehen allenfalls die 460 Höhenmeter. Start ist am Kurhaus. Gleich daneben liegt die Trinkhalle mit 14 großformatigen Wandgemälden, die Sagen und Legenden aus der Umgebung zum Leben erwecken. Auf dem Sockel vor der Wandelhalle thront Kaiser Wilhelm I. Mit seiner Gattin Augusta machte er gern in Baden-Baden Station. 

In den Kurhaus-Kolonnaden auf der anderen Seite des Kurhauses hat heute die Touristen-Informa­tion ihren Sitz. Wer will, kann sich hier noch eine Karte zur Wegstrecke und sonstiges Informationsmaterial besorgen. Oder ein Hotelzimmer – schließlich schenken jetzt im Herbst zahlreiche Hoteliers allen Wanderern bei drei Übernachtungen eine weitere dazu.

Schlafende Apostel

Dann aber los! Über Baden-Badens Nobelmeile, die Sophienstraße, und die Altstadt geht es ins Bäderviertel mit seinen Thermen rund um den Römerplatz. Hinter der Spitalkirche, die immer eine Stippvisite wert ist, liegt eine mittelalterliche Figurengruppe mit den schlafenden Aposteln und dem betenden Jesus am Ölberg. Eine berührende Szenerie, nicht nur zur Passionszeit!

Eine Treppe führt bergan zum Neuen Schloss, von dem man immer noch nicht weiß, was einmal daraus werden soll. Im Gegensatz zur benachbarten Stiftskirche, die mit großem Aufwand in diesem und im nächsten Jahr grundlegend neu gestaltet wird. Räume für Ausstellungen und Konzerte ergänzen künftig den Platz für die Gottesdienstfeiern.

Für manchen Wanderer schweißtreibend geht es weiter zum Alten Schloss, wo man rasten und den Blick ins Tal genießen kann. Vorbei an den Battertfelsen, Baden-Badens Kletterparadies, geht es dann langsam wieder bergab zur Talstation der Bergbahn auf den Merkurberg. Wer will, kann mit der gerade neu gestalteten, selbstfahrenden Bahn nach oben. Im Bergrestaurant lockt badische Küche – ein Abstecher, der sich bei schönem Wetter immer lohnt.

Allerlei Hoteldiebe

Zu Füßen des Kleinen Staufenbergs führt die zweite Etappe von der Talstation der Merkurbahn zum Fernseh-Kultort „Forellenhof“ im Stadtteil Gaisbach, der Übernachtung, Speis’ und Trank bietet. Hans Söhnker und Jane Tilden haben das einst wegen der dortigen Forellenzucht „Fischkultur“ genannte Hotel Mitte der 1960er Jahre berühmt gemacht. Sie verkörperten acht TV-Folgen lang die Hotelfamilie Buchner, die sich mit fremdgehenden Hotelgästen und allerlei Hoteldieben herumschlagen musste.

Kloster Lichtenthal – das älteste spirituelle Zentrum der Stadt

Heute ist der Glanz verblasst. Noch immer aber werden neben dem Hotel Forellen und andere Fisch­gerichte verkauft. Das reicht für ein kleines Picknick nach der mit knapp neun Kilometern Länge recht kurzen Tagesetappe durch Wälder und Wiesen. Eindrucksvoll sind die Blicke unterwegs ins Tal. Vor allem aufs Kloster Lichtenthal, dem ältesten spirituellen Zentrum der Stadt. 

Seit Jahrhunderten sind hier Zisterzienserinnen zu Hause, die das Kloster in Form einer Stiftung am Leben halten: mit Klosterladen, einem Café im ehemaligen Kuhstall, Kunstwerkstätten und einem Kerzen­atelier. Auch nächtigen lässt es sich hier im Gästehaus, das all denen als Quartier dient, die das Gebet und die Andacht mit den Nonnen teilen wollen.

Der Geroldsauer Wasserfall beeindruckt: Sechs Meter stürzt das Wasser in die Tiefe

Mit gut 14 Kilometern ist die dritte Etappe die längste. Sie quert einsame Täler und Wälder, die viel Schatten spenden. Vor allem der Abschnitt unterhalb des Gerolds­auer Wasserfalles beeindruckt. Hier kommt man im Sommer auch manchen Tagesausflüglern entgegen, die von Geroldsau zum Wasserfall spazieren. Sechs Meter stürzt das Wasser in die Tiefe. Vor allem im Frühjahr oder nach ergiebigen Regenfällen macht das Eindruck. 

Auf der anderen Seite des Bachlaufs und die Schwarzwaldhochstraße querend geht es zurück zur Geroldsauer Mühle, dem dritten Etappenziel. Mit der Einsamkeit ist es hier allerdings erstmal vorbei. Schließlich ist die Mühle mit ihrem riesigen Biergarten, den Marktläden und einigen Ferienquartieren doch der geschäftigste Platz im Stadtteil Geroldsau.

Rundum-Blick bis weit nach Frankreich

Mit die schönsten Blicke auf dem Panoramaweg bietet die Schluss­etappe, mit 400 Höhenmetern noch einmal eine kleine Herausforderung. Über die Wanderhütte „Gelbe Eiche“ geht es zum Louisfelsen, der einen Rundum-Blick von Baden-Baden bis weit nach Frankreich bietet. Auf dem Weitermarsch zum Waldhaus Batschari zweigt ein Weg zur Yburg ab – ein lohnenswerter Abstecher, bei dem einem das Rebland zu Füßen liegt, Baden-Badens Weinlandschaft. 

Auf einem exponierten Felsvorsprung liegt der Korbmattfelsen, auch das ein schöner Aussichtspunkt. Schließlich aber rückt die Stadt immer näher – und mit ihr der Rosenneuheitengarten. Ein lohnendes Ziel für alle Rosenfreunde, die hier vor allem im Sommer auf ihre Kosten kommen, wenn sie die spannenden Düfte zahlloser Neuzüchtungen umwehen. 

Kraft schöpfen im blühenden Farbenmeer

Ein blühendes Farbenmeer über der Stadt ist das und der richtige Ort, um ein letztes mal Kraft zu schöpfen. Denn spätestens an der Stourdza-Kapelle mit ihrer goldenen Kuppel hat einen das städtische Baden-Baden ganz wieder. Die letzten Wandermeter führen durch den Kurpark abwärts zur Trinkhalle und zum Kurhaus, dem Start von Deutschlands schönstem Wanderweg 2020.

Günter Schenk

15.10.2020 - Deutschland , Kirchen , Kultur