"Menschliches Leid vor unserer Haustür"

Ärzte ohne Grenzen kritisieren Flüchtlingspolitik der EU

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union scharf kritisiert. "Um weitere Menschen von einer Flucht nach Europa abzuhalten, wird menschliches Leid vor unserer Haustür bewusst in Kauf genommen", sagte Florian Westphal, Geschäftsführer der deutschen Sektion, am Dienstag in Berlin. Er äußerte sich bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2017.

Westphal kritisierte auch die Situation auf dem Rettungsschiff Aquarius. Dort säßen auf dem Mittelmeer 629 aus Seenot Gerettete fest, darunter Schwangere, Menschen mit Verätzungen und Unterkühlung und 123 unbegleitete Minderjährige, so Westphal. Währenddessen stritten EU-Staaten darüber, wo diese Menschen von Bord gehen dürften. Statt menschliches Leid zu lindern, mache die EU-Flüchtlingspolitik die Menschen dort physisch und psychisch krank, sagte er. "Das ist eine moralische Bankrotterklärung für die EU."

Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" leistete nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr in rund 70 Ländern weltweit Nothilfe. Die deutsche Sektion finanzierte mit 136 Millionen Euro Projekte in mehr als 40 Einsatzländern. Die Gesamtausgaben von Ärzte ohne Grenzen Deutschland lagen danach bei 154,6 Millionen Euro, die Gesamteinnahmen bei 153,6 Millionen Euro. Aus privaten Spenden und Zuwendungen stammten laut Ärzte ohne Grenzen 147,7 Millionen Euro. Das seien 14,9 Millionen Euro mehr als im Vorjahr gewesen.

Westphal verurteilte das vor rund zwei Jahren geschlossene EU-Abkommen mit der Türkei. Die Situation im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sei verheerend. Es sei für rund 3.000 Menschen ausgelegt, tatsächlich lebten dort 7.400 Menschen. Sie seien dicht an dicht in Containern, Zelten oder unter Plastikplanen untergebracht.

Die zumeist aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan kommenden Menschen flöhen vor Krieg, Verfolgung und Gewalt. Sie hätten in ihren Heimatländern oder auf der Flucht Schreckliches erlebt. In Moria könnten sie sich aber nicht erholen. Viele lebten weiter in Angst, denn auch im Lager komme es zu Einschüchterungen, Vergewaltigungen und Gewaltausbrüchen. Er forderte die EU, vor allem aber die Bundesregierung und die griechische Regierung auf, dringend etwas an den Zuständen zu ändern. Sie müssten die Lebensbedingungen der Menschen auf den griechischen Inseln verbessern.

KNA

12.06.2018 - Flüchtlinge , Hilfswerke