Kardinal Pells Berufungsantrag

Anhörung geht am Donnerstag weiter

Vor dem Obersten Gericht Australiens hat die mit Spannung erwartete Anhörung der Berufung von Kardinal George Pell gegen seine Verurteilung als Sexualstraftäter begonnen. Das Verfahren ist die letzte juristische Chance des 78-Jährigen, seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft zu kippen. Am ersten Tag der Anhörung trugen am Mittwoch die Anwälte des ehemaligen Finanzchefs des Vatikan den sieben Richtern des High Court in Canberra ihre Gründe für die Berufung gegen die Aufrechterhaltung der Verurteilung ihres Mandanten durch zwei der drei Richter des Berufungsgerichts von Victoria vor. Die Anhörung geht am Donnerstag weiter.

Rechtsanwalt Brett Walker habe in seinen Ausführungen den Richtern des Berufungsgerichts „fehlerhafte juristische Methoden“ vorgeworfen, berichteten australische Medien. Anstelle der Befolgung des Rechtsgrundsatzes „im Zweifel für den Angeklagten“ hätten sie von Pell verlangt, seine Unschuld zu beweisen und somit die Beweislast umgekehrt.

Walker stützte demnach seine Ausführungen auf das Minderheitsvotum des dritten Richters des Berufungsgerichts. Der Rechtsanwalt legte den Richtern des High Court weiter dar, dass die zentralen Aussagen über das Geschehen nach einem Gottesdienst in der St.-Patrick-Kathedrale von Melbourne Zweifel am Tathergang und damit eine Aufhebung der Verurteilung Pells gerechtfertigt hätten.

Pell wird vorgeworfen, als Erzbischof von Melbourne im Dezember 1996 zwei Chorknaben in der Sakristei der Kathedrale sexuell missbraucht zu haben. Wie mehrere Zeugen ausgesagt hatten, sei es jedoch gängige Praxis von Pell gewesen, nach Gottesdiensten auf den Stufen der Kathedrale Gottesdienstbesucher zu begrüßen. Zudem habe in der Sakristei nach Messen ein emsiges Treiben geherrscht. Der Pell vorgeworfene Missbrauch habe also gar nicht stattfinden können, sagte Walker.

Der Schuldspruch Pells durch eine Jury und das anschließende Strafmaß von sechs Jahren Haft stützte sich einzig auf die unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemachte Aussage eines der Opfer. Der zweite Mann war kurz vor Beginn des Prozesses an einer Überdosis Heroin gestorben.

Pell war bei der Anhörung vor dem High Court nicht anwesend. Dagegen hatte sich eine kleine Schar von Freunden wie Gegnern vor dem Gerichtsgebäude in Canberra zu Kundgebungen versammelt. Auf Postern forderten die einen „Pell burn in Hell“ - „Pell soll in der Hölle schmoren“ - während die anderen versicherten „Pell innocent forever“ - etwa „Pell auf ewig unschuldig“.

KNA

11.03.2020 - Kurie , Missbrauch , Recht & Gesetz