Bei der Suche nach Emanuela Orlandi

Hunderte Knochen in deutschem Priesterkolleg im Vatikan geborgen

Eine neuerliche Suche im Vatikan nach der vor 36 Jahren verschwundenen Schülerin Emanuela Orlandi ist ohne Zwischenergebnis unterbrochen worden. Wie Vatikansprecher Alessandro Gisotti am Samstag mitteilte, brachte die Öffnung von zwei unterirdischen Gebeinkammern im deutschen Priesterkolleg Campo Santo Teutonico am Petersdom Überreste zutage, die nun morphologischen Analysen unterzogen werden sollen. Die vatikanische Staatsanwaltschaft setzte dafür den kommenden Samstag fest.

Nach Angaben der Familie wurden Hunderte von Knochen gefunden, die zu unterschiedlichen Skeletten gehörten, darunter auch solche von Kindern. Auf einem von italienischen Medien verbreiteten Video ist zu sehen, wie der vom Vatikan bestellte Gerichtsmediziner Giovanni Arcudi Gebeine aus einem rund 60 Zentimeter breiten Schachteingang im Foyer des Priesterkollegs birgt. Mehrere Plastikkübel mit Knochensäcken wurden anschließend im Vortragssaal deponiert.

Die Bergung und ersten Untersuchungen dauerten den Angaben zufolge sechs Stunden. Federica Orlandi, Schwester der vermissten Emanuela, sprach laut der Zeitung „Repubblica“ von einer „harten Erfahrung“. Sie ergänzte: „Wir suchen weiter nach der Wahrheit.“ Der Bruder Pietro Orlandi sagte, die Knochen würden nun katalogisiert und nach dem Alter sortiert. Falls sich Gebeine fänden, die zu Emanuela passen könnten, werde die Identität durch einen DNA-Vergleich abgesichert.

Die Nachforschungen sollen Licht in das Schicksal der jungen Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi bringen, die am 22. Juni 1983 vom Musikunterricht nicht nach Hause zurückgekehrt war. Für ihr Verschwinden wurden unterschiedlichste Gründe in Betracht gezogen, etwa ein Versuch, die Freilassung des Papst-Attentäters Ali Agca zu erzwingen, eine Erpressung der Vatikanbank durch eine römische Mafia-Organisation oder vatikanische Sex- und Drogenparties.

Nachdem die Familie Orlandi nach eigenen Angaben konkrete Informationen von mehreren Personen aus dem Vatikan erhalten hatte, beantragte sie die Sondierungen auf dem Campo Santo Teutonico. Der Vatikan hingegen sprach von einem „lediglich anonymen Hinweis“. Eine erste Untersuchung der Ruhestätten von zwei deutschen Adeligen, Sophie von Hohenlohe (1758-1836) und Charlotte Friederike zu Mecklenburg (1784-1840), am 11. Juli blieb ergebnislos. Die Gräber erwiesen sich bei ihrer Öffnung als leer.

Das Römische Institut der Görres-Gesellschaft, das seinen Sitz am Campo Santo Teutonico hat, erklärte, der Friedhof habe wie jeder andere auch Ossuarien für Gebeine aus zusammengelegten oder aufgegebenen Gräbern angelegt. Auf dem Campo Santo Teutonico sei dies das letzte Mal bei Bauarbeiten 1962/64 der Fall gewesen. Es handele sich aber „nicht um geheime Totenkammern unter Falltüren“. Dass Orlandi auf dem Campo Santo gesucht werde, sei „eher ein Zufall“, hieß es in einer Mitteilung des historischen Instituts.

KNA

22.07.2019 - Kriminalität , Orlandi , Vatikan