Der gescheiterte Kurienmanager, der Recht behielt

Kardinal George Pell wird 80 Jahre alt

Australiens starker Kirchenmann kam an die römische Kurie, um aufzuräumen, und wurde ausgebremst. Dann musste er in seiner Heimat ins Gefängnis und wurde freigesprochen. Dennoch sagt George Pell: "Ich hatte ein gutes Leben."

Den 8. Juni, seinen 80. Geburtstag, wird George Pell allein verbringen: "in Quarantäne, zu Hause in Australien". Allerdings bat der Kardinal darum, nicht nur ein einzelnes Zimmer zu bekommen, "zumindest einen Balkon dazu". "Die gut 400 Tage Einzelhaft haben mir gereicht", gesteht er. Nachfeiern will Pell mit Familie und wenigen Freunden später.

Seit Australiens Oberster Gerichtshof im April 2020 das Urteil gegen Pell wegen mutmaßlichen Missbrauchs aufhob, verbringt er eine Jahreshälfte in Rom, die andere in Australien. Die Frage, was sich seither für ihn verändert hat, beantwortet er leicht entrüstet: "Nun, ich bin ein freier Mann und kein öffentlich Verurteilter mehr. Das ist doch was." Insgesamt habe er ein "gutes Leben" gehabt.

Im Dezember 2018 war der frühere Kurienkardinal von einem Gericht in Melbourne zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, weil er Ende 1996 nach einer Messe in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne zwei Chorknaben missbraucht haben sollte. Das Urteil wurde wegen ungenügender Beweislage letztinstanzlich aufgehoben. Im Bericht der Royal Commission Australiens vom Mai 2020 kommt Pell dennoch nicht ganz unbescholten davon. Als Bischofsvikar in Ballarat soll er Anfang der 70er Jahre wie andere gewusst haben, dass ein notorischer Missbrauchstäter wiederholt versetzt statt angezeigt worden war.

Als Pell im Juni 2017 aus Rom abreisen musste, um sich in seiner Heimat vor Gericht zu verantworten, lag eine längere Auseinandersetzung an der Kurie hinter ihm. Papst Franziskus hatte den hochgewachsenen Australier zum Leiter des 2014 neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats gemacht. Damit sollte Pell die Geldtöpfe und -ströme in der Kurie bündeln, strukturieren und kontrollieren. In der traditionell italienisch geprägten Kurie kam Pells direkte und mitunter ruppig empfundene Art nicht gut an.

Sein Hauptwidersacher war der damals einflussreichste Mann im Staatssekretariat, der Sarde Giovanni Angelo Becciu. Inzwischen ist Becciu entmachtet; das Staatssekretariat erlebte einen handfesten Finanzskandal mit Millionenverlusten, und Franziskus setzt jene Reformen durch, die Pell damals vorschlug. "Auf jeden Fall weisen sie in die richtige Richtung", sagt der Australier. Es sei bekannt gewesen, dass die Investoren des Vatikan mit verdächtigen und unseriösen Leuten zusammenarbeiteten. "Ich glaube kaum, dass das Staatssekretariat noch viel Geld übrig hat", spöttelt Pell. "Die waren - wohlwollend ausgedrückt - spektakulär erfolglos!"

Geboren wurde Pell am 8. Juni 1941 in Ballarat westlich von Melbourne. Eine jugendliche Karriere als Australian-Football-Spieler gab er zugunsten des Priesterberufs auf; 1966 wurde Pell geweiht. 1987 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Weihbischof in Melbourne, 1996 zum Erzbischof. 2001 wechselte er nach Sydney; zwei Jahre später erhielt er das Kardinalsbirett. Spätestens seit dem Weltjugendtag 2008 ist Pell mit Benedikt XVI. befreundet, wie er selbst sagt.

Mit dem konservativ stringent denkenden Deutschen fühlt sich der Australier geistesverwandt. Über seine theologische Ausbildung sagt Pell: "Wir wurden damals ziemlich gedrillt, das zu tun, was verlangt wurde und was ich nach wie vor als Gottes Wille erachte. Darin liegt eine gewisse Sicherheit." Anders als mit Benedikt fremdelt Pell mit dessen Nachfolger Franziskus; dessen Theologie und Äußerungen sind ihm oft zu schwammig. Gleichwohl rechnet er dem Argentinier hoch an, dass dieser auch während Prozess und Haft zu ihm gehalten habe.

Das anstehende Plenarkonzil der katholischen Kirche in seiner Heimat beobachtet Pell nach eigener Aussage nicht allzu eng. Zur Reformdebatte in Deutschland, "die natürlich nach Australien herüberspielt", will er gleichwohl etwas sagen: "Eine entscheidende Frage, der wir in Australien, aber auch Sie in Deutschland sich stellen müssen, lautet: Sind wir Diener und Verteidiger der apostolischen Tradition, des Glaubens, der Offenbarung - oder deren Meister, so dass wir diese ändern könnten?"

Es gehe nicht an, "die christliche Lehre über Sexualität umzuschreiben, die Lehre Jesu hinsichtlich Wiederheirat und Ehebruch zu ändern" oder "die Lehre des Paulus zu den Bedingungen für Kommunionempfang". Auch eine Priesterweihe für Frauen "verträgt sich nicht mit der apostolischen Tradition". Fehler und Missbrauch in der Kirche habe es nicht gegeben, weil man die kirchliche Lehre befolgte, kontert Pell ein Anliegen des Synodalen Wegs in Deutschland.

Natürlich müsse man hier und da reformieren und auch neue Wege gehen, aber nicht in wesentlichen Lehren. Das sehe das Gros des Kirchenvolkes ebenso, vor allem in der Weltkirche. Was die katholische Kirche aber am wenigsten brauche, sei ein Abklatsch des liberaleren Protestantismus. "Dem laufen die Menschen noch schneller weg als uns", formuliert Pell seine pastorale Bilanz.

Roland Juchem/KNA

08.06.2021 - Jubiläum , Kardinäle , Weltkirche