"Keine Alternative zur Therapie"

Karlsruhe verhandelt über Sterbehilfe – Patientenschützer warnen

Das Bundesverfassungsgericht prüft am Dienstag und Mittwoch in einer mündlichen Verhandlung das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Ende 2015 stellte der Bundestag im Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches die Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Nahestehende Personen eines Todkranken sind davon ausgenommen.

Verhandelt wird vor dem Zweiten Senat stellvertretend über sechs Verfassungsbeschwerden. Sie stammen von Sterbehilfevereinen, Ärzten und schwer Erkrankten. Letztere wollen geltend machen, dass sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ableiten lasse. Dieses Recht müsse auch die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter umfassen.

Die Sterbehilfevereine sehen Grundrechte verletzt, weil ihre Mitglieder nicht tätig werden könnten. Die Ärzte argumentieren, der Paragraf stelle nicht sicher, dass im Einzelfall geleistete Suizidhilfe straffrei bleibe. Auch sei unklar, ob die Neuregelung bislang straffreie Formen der Sterbehilfe und Palliativmedizin erfasse. Dies verhindere am Patientenwohl orientierte Behandlung.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor einer Lockerung des Paragrafen 217. Dieser habe sich bewährt, sagte Vorstand Eugen Brysch. Der Suizid selbst und die Hilfe dazu blieben weiterhin straffrei. Der Gesetzgeber habe daher nicht in die Grundrechte des Einzelnen eingegriffen. „Ebenso sind die Palliativmedizin und die Hospizarbeit nicht eingeschränkt. Ärzte müssen keine Angst vor Strafverfolgung haben, wenn sie Sterbebegleitung anbieten.“

Suizidgedanken entstünden zumeist in einer seelischen und körperlichen Krise, erläuterte Brysch weiter. Gerade dann seien Menschen besonders empfänglich für Angebote geschäftsmäßiger Suizidhelfer. „Doch der organisierte Weg in den Tod darf nicht die Alternative zur Therapie sein.“

Dass sich das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht seit drei Jahren in die Länge zieht, hängt auch damit zusammen, dass die Amtszeit des zunächst zuständigen Richters Herbert Landau endete. Nun ist als Berichterstatterin die Juristin Sibylle Kessal-Wulf zuständig. Noch zu Landaus Amtszeit hatte das Gericht 2016 einen Eilantrag des Vereins „Sterbehilfe Deutschland“ abgelehnt. Die Richter wollten damit der Gefahr entgegentreten, dass der „fatale Anschein einer Normalität und schlimmstenfalls sogar der sozialen Gebotenheit der Selbsttötung entstehen“ könne.

Nicht über die Verfassungsbeschwerden entscheiden wird Peter Müller. Vor seiner Ernennung zum Verfassungsrichter hatte er als saarländischer Ministerpräsident 2006 einen Gesetzesentwurf zum Verbot von gewerbsmäßiger Sterbehilfe in den Bundesrat eingebracht. Der fand zwar keine Mehrheit, wurde aber später inhaltlich beim Sterbehilfegesetz aufgegriffen. Per Los wurde als Ersatz für Müller der Richter Johannes Masing aus dem Ersten Senat bestimmt.

KNA