Motu Proprio

Papst verschärft Kirchenrecht im Kampf gegen Missbrauch

Papst Franziskus hat die Kirchenrechtsnormen im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch Geistliche drastisch verschärft. Ein derartiger Schritt war unter anderem von Opferverbänden, Politikern und zahlreichen Bischöfen der Weltkirche gefordert worden. Das am Donnerstag veröffentlichte Gesetz sieht neue Verfahrensweisen für die Strafanzeige vor und führt eine weltweite Anzeigepflicht ein. Erstmals regelt es die Untersuchung gegen Bischöfe, die Ermittlungen vertuscht oder verschleppt haben. Es verpflichtet die kirchlichen Stellen, die staatlichen Strafermittler in ihrer Arbeit zu unterstützen. Zudem müssen alle Diözesen bis spätestens Juni 2020 ein leicht zugängliches Meldesystem für Anzeigen einrichten.

Zu den wichtigsten Neuerungen gehört ein Verfahren, mögliche Unterlassungen von Verantwortlichen aufzuspüren. Für entsprechende Voruntersuchungen gegen Bischöfe erhalten die Metropolitan-Erzbischöfe eine besondere Rolle. In Deutschland sind dies die Erzbischöfe von Köln, München, Hamburg, Berlin, Paderborn, Bamberg und Freiburg. Diese können sich weiterer Fachleute, vor allem auch Nicht-Kleriker, bedienen. Dies war unter anderem von amerikanischen Bischöfen gefordert worden, um ein Durchgreifen auch gegen Bischöfe zu ermöglichen. Um Verfahren zu beschleunigen, muss der Vatikan binnen 30 Tagen über den Stand der Voruntersuchungen informiert werden.

Zudem werden alle Kleriker und Angehörigen von Ordensgemeinschaften auch rechtlich verpflichtet, Informationen über möglichen Missbrauch oder eventuelle Unterlassungen beim Kirchenoberen zu melden. Dies gilt künftig nicht mehr nur im Fall minderjähriger und schutzbefohlener Opfer, sondern auch, wenn Ordensfrauen sowie abhängige volljährige Seminaristen oder Ordensnovizen betroffen sind, sowie im Fall von Kinderpornografie.

Unberührt bleiben eine Meldepflicht aufgrund staatlicher Gesetze und bestehende Kooperationen zwischen Kirche und Behörden. Bisher geltende kirchliche Strafen werden nicht verschärft. Das Beichtgeheimnis bleibt von den neuen Normen unberührt, aber das bisher für Missbrauchsverfahren generell geltende „päpstliche Geheimnis“ wird in einem zentralen Punkt aufgehoben. In dem neuen Gesetz heißt es dazu: „Wer eine Meldung erstattet, dem kann kein Schweigegebot hinsichtlich des Inhalts auferlegt werden.“

Die neuen Normen, die Papst Franziskus erlässt, werden vom Vatikan als weiteres Ergebnis des Anti-Missbrauchgipfels Ende Februar im Vatikan vorgestellt. Das sogenannte Motu Proprio trägt den Titel „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt). Die neuen Normen gelten zunächst für drei Jahre und treten am 1. Juni in Kraft.

Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßte die verschärften Normen. Die Regeln zeigten, dass der Vatikan „den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch kirchliche Amtsträger noch konsequenter und präziser als bisher weiterführen will“, betonte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann.

Unter anderem lobte der Trierer Bischof, dass die neuen Normen weiter gingen als bisherige Straftatbestände des kirchlichen Rechts. Bei den Beschuldigten etwa seien jetzt auch Ordensangehörige im Blick, die keine Kleriker sind. Zudem werde die Gruppe der möglichen Opfer auf „schutzbedürftige Personen“ ausgeweitet, also auf Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Bedingungen in ihrer Fähigkeit eingeschränkt seien, sich gegen Übergriffe zu wehren. Auch die Strafbarkeit der Erstellung von pornografischem Material bleibe nicht auf Kinder beschränkt, sondern werde auf Minderjährige insgesamt und schutzbedürftige Personen ausgedehnt.

Ebenfalls als positiv hob Ackermann hervor, dass in einem eigenen Artikel vermerkt sei, „dass den mutmaßlich Betroffenen nicht nur mit Respekt begegnet werden soll, sondern auch diverse Hilfen anzubieten sind“. Wichtig sei auch die unmissverständliche Feststellung, dass die kirchlichen Normen nicht die „jeweils von den staatlichen Gesetzen festgelegten Rechte und Pflichten beeinträchtigen, insbesondere diejenigen in Bezug auf allfällige Meldepflichten an die zuständigen zivilen Behörden“.

Die deutschen Bischöfe wollen nun „zeitnah prüfen, welche möglichen Auswirkungen das Dokument, das am 1. Juni 2019 in Kraft tritt, vor allem auf unsere nationalen Leitlinien hat“. Diese würden aktuell ohnehin überprüft. Die in den neuen Vatikan-Normen geforderte Pflicht, feste Meldesysteme für Missbrauchsfälle einzurichten, sei in Deutschland schon seit 2010 erfüllt.

KNA

09.05.2019 - Bischöfe , Missbrauch , Papst