Franziskus in Kanada

Papstmesse mit 50.000 Gläubigen - Debatte um Vergebungsbitte

Den zweiten vollen Besuchstag seiner "Buß-Reise" nach Kanada hat Papst Franziskus am Dienstagvormittag (Ortszeit) mit einer Messe im Stadion von Edmonton begonnen. In seiner Predigt rief er die Menschen auf, Erbe und Vermächtnis ihrer Vorfahren zu schätzen und fortzuführen. Gleichzeitig sollten sie selbst zu Handwerkern einer besseren Zukunft werden. An dem Gottesdienst nahmen nach Angaben örtlicher Behörden rund 50.000 Menschen teil; viele kamen aus entfernten Landesteilen sowie aus den USA.

"Wir sind Kinder einer Geschichte, die es zu hüten gilt", sagte das Kirchenoberhaupt im Commonwealth Stadium, dem größten Freiluftstadion Kanadas. Damit bezog er sich auch auf das Traditionsbewusstsein der indigenen Völker des Landes und das wichtige Miteinander der Generationen. In ehemaligen, meist kirchlich geführten Residential Schools waren 150.000 Kinder ihren Familien entrissen, ihrer Kultur beraubt und so Generationen traumatisiert worden.

Eine explizite Bitte um Vergebung in Richtung der indigenen Völker Kanadas wie am Montag sprach der Papst in der Messe nicht aus. Zudem enthielt die Liturgie kaum Elemente indigener Kulturen, was einige Kommentartoren anschließend kritisch anmerkten. Der Eucharistieteil der Messe wurde größtenteils auf Latein gesprochen. Ihm stand - wegen der Kniebeschwerden des Papstes - Edmontons Erzbischof Joseph Smith vor.

In seiner Predigt über das Verhältnis der Generationen zueinander sagte der Papst, insbesondere Großeltern könnten oft besser vermitteln, "dass Liebe niemals ein Zwang ist". "Lernen wir dies als Einzelne und als Kirche: Unterdrücken wir niemals das Gewissen der anderen, fesseln wir niemals die Freiheit unseres Gegenübers."

Unterdessen würdigte Kanadas Premierminister Justin Trudeau die Vergebungsbitte des Papstes gegenüber den Indigenen vom Montag. Gleichzeitig betonte er, Versöhnung sei Aufgabe aller Kanadier. Mit seiner Vergebungsbitte vom Montag, erklärte Trudeau, sei Franziskus einer Aufforderung der kanadischen Wahrheits- und Versöhnungskommission von 2015 nachgekommen. Zur Aufarbeitung des historischen Unrechts in den sogenannten Residential Schools habe die Kommission 95 Handlungsschritte benannt.

Einer davon fordert den Papst auf, sich bei Überlebenden, ihren Familien und Gemeinschaften für die Rolle der römisch-katholischen Kirche "beim spirituellen, kulturellen, emotionalen, körperlichen und sexuellen Missbrauch ... in katholisch geführten Internatsschulen zu entschuldigen".

Führende indigene Vertreter Kanadas stellten nach der Entschuldigungsbitte des Papstes für die Zwangsassimilierung weitere Forderungen an die katholische Kirche. Stammesälteste und Opfer des kanadischen Internatssystems werteten die Worte des Bedauerns von Franziskus als aufrichtig, berichten Medien. Nun stelle sich die Frage, was daraus folge.

Franziskus habe sich "lautstark und deutlich" entschuldigt, sagte Großhäuptling George Arcand von den First Nations. Bisher fehle aber etwa eine Verpflichtung der Kirche zur Rückgabe von indigenen Artefakten. Auch gebe es nach wie vor keinen Zugang zu den Kirchenarchiven, um Täter und Opfer zu identifizieren.

KNA

27.07.2022 - Indigene , Kanada , Papst