Mittelstand in Gefahr

Regierung verpasst Wohnungsbauziel

Die Bundesregierung hat ihr Wohnungsbauziel im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt nicht erreicht. Wie die Behörde am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, wurden im Jahr 2022 rund 295.300 neue Wohnungen gebaut, geplant waren jedoch 400.000. Sozial- und Immobilienverbände warnen vor steigenden Kosten und "katastrophalen Folgen" für die Mittelschicht.

Die Diakonie forderte von der Bundesregierung ein soziales und ökologisches Umdenken in der Wohnungspolitik. "Die Wohnsituation ist an vielen Orten desolat, die Mietsteigerungen in Ballungsräumen sind dramatisch, die Zahl der Sozialwohnungen nimmt immer weiter ab", erklärte die Vorständin Sozialpolitik Maria Loheide. Durch massiv gestiegene Baukosten und Grundstückspreise habe der Mangel an bezahlbarem Wohnraum inzwischen auch die Mittelschicht erreicht.

Besonders betroffen sind laut dem evangelischen Sozialverband Menschen mit Behinderungen, alte Menschen, Familien mit vielen Kindern, Wohnungslose und andere am Wohnungsmarkt strukturell Benachteiligte. Für diese brauche es eine Wohngemeinnützigkeit und damit einen nicht gewinnorientierten Sektor im Wohnungsmarkt. Weiter verlangt die Diakonie, die energetische Gebäudesanierung konsequent voranzutreiben. "Dabei müssen Steuermittel nicht mit der Gießkanne, sondern nach sozialen Kriterien verteilt werden", betonte Loheide.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) sieht die Wohnungsbaupolitik an einem Kipppunkt. "Wenn jetzt politisch nichts passiert, dann ist der Wohnungsbau am Ende. Dann rauschen die Neubauzahlen in diesem Jahr unter die Marke von 250.000", warnte IG Bau-Chef Robert Feiger. Setze sich die Entwicklung so fort, könne die Zahl der Baufertigstellungen schon im Jahr 2024 sogar unter die 200.000er-Marke fallen.

Die IG Bau fordert bis 2025 ein Sondervermögen von 72 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum. Zudem müssten umständliche Bauverordnungen und -normen zügig zurückgefahren werden. "Die nicht gebauten Wohnungen sind ein Gradmesser dafür, wie es um den sozialen Frieden steht", betonte Feiger.

Auch der Immobilienverband Deutschland (IVD) warnt vor gesellschaftlichen Folgen insbesondere in der Mittelschicht. "Für die Altersvorsorge und den Vermögensaufbau ist die Entwicklung eine Katastrophe", sagte IVD-Präsident Jürgen Schick den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Im neuen Zinsumfeld fehle vielen potenziellen Käufern das Eigenkapital für den Immobilienerwerb, so Schick. Er forderte staatliche eigenkapitalersetzende Bürgschaften, um die Lücke zu schließen. Auch müsse der Bund mit einer Grundgesetzänderung den Weg frei für die Einführung eines Freibetrags bei der Grunderwerbssteuer machen.

KNA

23.05.2023 - Deutschland , Politik , Wohnen