Das zweite Jahr in Folge verzeichnet die katholische Kirche in Deutschland einen Rekord an Austritten. Über eine halbe Million Menschen kehrten der Kirche im vergangenen Jahr den Rücken, wie aus der am Mittwoch von der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn veröffentlichten allgemeinen Kirchenstatistik hervorgeht. Die Bischöfe sprechen von Vertrauensverlust, Laienvertreter fordern eine zügige Umsetzung von Reformen.
Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff spricht sich dafür aus, Menschen auch nach einem Kirchenaustritt weiter zu begleiten, sofern sie das möchten. Dabei denke er auch darüber nach, ob man sie weiter zum Empfang der Kommunion einladen solle, sagte Puff am Sonntag nach Angaben des katholischen Internetportals domradio.de bei seiner Predigt im Kölner Dom.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bedauert Skandale und Unbeweglichkeit in der katholischen Kirche. Er leide an der Kirche, "wenn sie durch Skandale gläubige Menschen ins Wanken bringt oder durch erstarrte Strukturen und mangelnde Veränderungsbereitschaft vielen den Zugang zum Glauben blockiert", schreibt der Limburger Bischof in einem Gastbeitrag für die "Rheinische Post".
Das Amtsgericht Köln verzeichnet eine Welle von Kirchenaustritten in noch nie da gewesenem Ausmaß. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag) unter Berufung auf Angaben der Behörde berichtet, liegt die Zahl derzeit bei mehr als 1.000 im Monat. Im Normalfall biete die Behörde monatlich rund 640 Termine für den Austritt an, sagte Sprecher Maurits Steinebach der Zeitung.
Das Jahr 2020 ist zu Ende gegangen. Zeit also, Bilanz zu ziehen – auch für die Kirche. Noch ist nicht klar, wie viele Mitglieder ihr in den vergangenen zwölf Monaten den Rücken gekehrt haben. Im Jahr zuvor jedenfalls verloren allein die katholischen Bistümer in Deutschland 272 000 Gläubige – so viele wie nie zuvor.