An der Wiege des Krippenbaus

Die Wittelsbacher werkelten im Exil eigenhändig an den Figuren

MINDELHEIM – So weit, wie für die drei Weisen aus dem Morgenland ist der Weg nach Bethlehem beileibe nicht mehr. Wer in unserer Diözese nach dem Jesuskind in der Krippe sucht, wird im völlig neu konzipierten Mindelheimer Kripppenmuseum schnell fündig. Dort sind mehr als 40 Domizile der Heiligen Familie in großer Pracht und Vielfalt zu bewundern. 

Wie auf einer Theaterbühne sind die Krippen als Miniaturlandschaften aufgbaut und professionell ausgeleuchtet. Von klassisch-alt über abstrakt-modern, von Volkskunst bis zu hoher Kunst ist der Bogen gespannt. Bethlehem ist in Höhlen, maurischen Palästen, Königshäusern, alpenländischen Ställen und auch in Glasstürzen. Beim Publikum hat das neu gestaltete Krippenmuseum vom ersten Tag an gewonnen. Kaum eröffnet, strömten die Besucher in Scharen in die Ausstellungsräume. Mehr als 10 000 wurden bisher gezählt. 

Viele Jahre war die Sammlung wegen der Sanierungsarbeiten geschlossen. Jetzt finden sich die Krippenfreunde im ehemaligen Jesuitenkolleg in einem völlig neuen, 400 Quadratmeter großen Museum wieder, wo Krippengeschichte nicht chronologisch, sondern thematisch erzählt und Symbolik über Medien- und Mitmach-Stationen vermittelt wird. Dies ermöglicht es Besuchern, mühelos, in einen Dialog mit den Exponaten zu treten. 

„Uns kam es besonders darauf an, ein Museum zu gestalten, die nicht nur die Kunst in der Heilsgeschichte in den Blick nimmt, sondern sämtliche  Informationen, wie auch theologische Bezüge zur Krippe vermittelt“, erläutert Mindelheims Kulturamtsleiter Christian Schedler das Konzept des 700 000 Euro teueren Projekts, das sich auch an Besucher, die keine Kenntnisse von der christlichen Historie haben, wendet.

Die stimmungsvolle und ästhetische Atmosphäre im Museum lassen Besucher die Zeit vergessen. Die interaktive Medienstationen führen hautnah die weltweite Verbreitung der Krippen vor Augen, Filme lassen den Stern von Bethlehem, der den Besuchern den Weg zur großen Jesuitenkrippe weist, in ganz neuem Licht erstrahlen. Doch damit nicht genug der Aktivitäten. Kinder können sich aus den Vitrinen Figuren holen und Krippen nach eigener Vorstellung bauen.

„Damit fing alles an“, erzählt Christian Schedler. In seinen Händen, die in weißen Stoffhandschuhen stecken, hält der Kunsthistoriker den größten Schatz des Museums, eine 8,5 Zentimeter große Holzfigur. So unscheinbar wie dieses Jesulein auch aussieht, so unschätzbar ist sein Wert. Schließlich handelt es sich um das älteste Christkind der Welt aus der Zeit um 1300. Aus dem ehemaligen Franziskanerkloster in Leutkirch fand das Werk eines unbekannten Künstlers den Weg nach Mindelheim. 

„Millionenbaby“

Das Unikat gilt als Prunkstück unter den Exponaten des Schwäbischen Krippenmuseums. „Die Idee, das Jesuskind aus der Krippe herauszuholen und einzeln zu verehren stammt aus schwäbischen Frauenklöstern“, weiß Christian Schedler. In dieser Zeit erblickte in der Werkstatt des spätgotischen Ulmer Bildschnitzers Michael Erhard ein weiteres Jesulein das Licht der Welt. Der Kulturamtsleiter nennt es liebevoll sein „Millionenbaby“, denn die Figur mehr als eine Million Euro wert ist.

Gleich zu Beginn der „Kurzreise ins Heilige Land“ lenkt ein in rot und blau getauchtes Tischbild den Blick der Besucher auf eine kosmische Inszenierung, die deutlich machen will: Die Geburt Christi war ein kosmisches Ereignis. Staunen macht sich breit. Auch über die große „Münchner Krippe“ aus dem Jahre 1910 und die weihnachtliche Szenerie der Wittelsbacher. Die Mitglieder des Adelsgeschlechtes stellten ihre Krippenfiguren eigenhändig im Exil her. Wie sie das bewerksstelligt haben, ist per Knopfdruck zu erfahren und wird aus persönlichen Aufzeichnungen der Prinzessin Eleonore von Bayern nacherzählt. 

Nicht zu vergessen auch die zahlreichen Vitrinen, in denen einzelne Figuren und Kleingruppen herausgepickt und in Szene gesetzt sind. Alles wirkt richtig lebendig. So auch der Zeichentrickfilm eines russischen und eine Art Cartoon eines Kölner Künstlers. Auf Hör-, und Mitmachinseln sind elektronische Spiele möglich. Besucher können über der Krippe die Sonne aufgehen lassen oder die Hirten in rechtes Licht rücken. Zudem vermitteln Guck-Kästen dem Betrachter räumliche Tiefe. Mindelheim nennt sich zu Recht die „Wiege des Krippenbaues“. Denn hierher kamen vor 400 Jahren die Jesuiten, bauten ein Kolleg und brachten  Krippen als neues Medium mit. Von Mindelheim aus schwappte die Begeisterung für figürliche Szenerie an Weihnachten auf ganz Schwaben über. Noch immer ist jedes Jahr in der Adventszeit bis Maria Lichtmess am 2. Februar  auch die größte Krippe des Landes im Chor der Jesuitenkirche zu bestaunen. „Unser Museum ist in spaßigem Sinne unübersichtlich, und es macht Spaß sich darin zu verirren“, bemerkt Schedler. Und die Mindelheimer schwärmen von einem „Glanzlicht nicht nur zur Weihnachtszeit“. Franz Issing

Information

Das Schwäbische Krippenmuseum in Mindelheim, Hermelestraße 4, ist täglich außer montags von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen sind nach Vereinbarung unter Telefon 0 62 61/9 09 76-0 oder unter E-mail: kulturamt@mindelheim.de möglich.

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