An keinem anderen Ort der Welt ist die Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus so gegenwärtig wie in Bethlehem. Tausende Pilger strömen im Advent und an Weihnachten in die kleine Stadt im Westjordanland. Dass gerade am Geburtsort des Friedensfürsten kein Frieden herrscht, ist vielen wohl gar nicht bewusst.
„Es gibt keinen Jubel in den Herzen der Menschen, in der Stadt selbst oder in den Flüchtlingslagern um sie herum, weil der Stadt weiterhin Würde und Freiheit verweigert wird.“ Das schreibt der emeritierte lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, in seinem Geleitwort für die Adventsschrift „Neue Hoffnung“.
Keine Würde, keine Freiheit – nehmen das die Pilger und Touristen überhaupt wahr, die sich oft nur für einen zweistündigen Besuch von Jerusalem nach Bethlehem aufmachen und deren Hauptziel die Geburtsbasilika ist? Privilegiert, wie Israels Sicherheitspersonal Besucher aus Übersee behandelt, dürfen sie in der Regel im Reisebus sitzenbleiben, wenn sie durch die Öffnung in der israelischen Sperrmauer fahren.
Palästinenser aus Bethlehem dagegen – ob nun Christ oder Muslim, Mann oder Frau – müssen zu Fuß durch das flughafenähnliche Kontrollgebäude Checkpoint 300 mit Drehkreuzen, Röntgengeräten, Metalldetektoren und Soldaten hinter Panzerglasscheiben gehen – falls sie überhaupt im Besitz eines Passierscheins sind. Die Prozedur kann je nach Tageszeit und Einstellung der Soldaten oder Militärpolizisten 15 Minuten oder zwei Stunden dauern.
Die Gültigkeit des Passierscheins endet spätestens am nächsten jüdischen Feiertag, zu dem die israelische Regierung üblicherweise eine Generalabriegelung der palästinensischen Gebiete verhängt. Laut Menschenrechtsorganisation B’Tselem unterband eine solche Sperre voriges Jahr an 32 Tagen den Personenverkehr zwischen dem Westjordanland und Israel. Zehntausende in Israel beschäftigte palästinensische Maurer, Fliesenleger und Mechaniker waren so zur Untätigkeit verurteilt.
Der Passierschein ist nicht die einzige Einschränkung der Bewegungsfreiheit: Allein im Bezirk Bethlehem behindern 47 bemannte oder unbemannte Hindernisse der israelischen Armee, darunter Zementblöcke oder Schutthügel, den Personen- und Warenverkehr, meldet die UN-Agentur OCHA. Hinzu kommen Landenteignung und Gewalt seitens nationalreligiöser jüdischer Siedler oder nächtliche Razzien. Zwischen dem 10. und 23. November wurden allein im Bezirk Bethlehem 15 Menschen verhaftet, darunter vier Minderjährige.
Arbeitslosigkeit steigt
Während Israels Wirtschaft und insbesondere der Tourismussektor brummen, stieg die Arbeitslosigkeit in Palästina jüngst auf über 30 Prozent. In Bethlehem dürfte sie dank gut gebuchter Hotels und Gästehäuser niedriger sein. Betteln und beim Lebensmittelladen um die Ecke anschreiben lassen ist dennoch gang und gäbe in der 30 000-Einwohner-Stadt.