Mit einem Festakt am 25. September startet Corvey die Feiern zum 1200-jährigen Jubiläum des ehemaligen Klosters. Genau an diesem Tag im Jahr 822 nämlich begannen Mönche aus der nordfranzösischen Benediktinerabtei Corbie an der Weser mit ihrer Missionsarbeit.
Die Gründung ihres Klosters, dessen Bauten heute zum Weltkulturerbe der Unesco zählen, war ein Meilenstein im Rahmen der Christianisierung Europas. Aus „Nova Corbeia“, dem neuen Corbie, wurde schließlich das mächtige Kloster Corvey, Jahrhunderte lang eines der wichtigsten geistigen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentren von Mitteleuropa.
Viktor Metternich-Sándor, Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, empfängt Gäste gern vor der Kirche der ehemaligen Reichsabtei. „Seine Durchlaucht“ sprechen ihn Mitarbeiter noch immer manchmal an, wohl wissend, dass sie dem Hausherrn so schmeicheln. „Corvey 1“
heißt seine Postadresse schlicht. Dahinter verbirgt sich eine große barocke Schlossanlage. „21 000 Quadratmeter umbauter Raum, dazu vier Hektar Dachfläche und 600 Fenster“, rechnet der Schlossherr Besuchern vor.
Seit Juni 2014 gehört Corvey als eine der bedeutendsten Stätten des mittelalterlichen Deutschlands zum Weltkulturerbe. Viele Zehntausend Besucher machen in der vor den Toren Höxters gelegenen Anlage inzwischen jährlich Station. Der Welterbetitel der Unesco hat den Besucherstrom Richtung Corvey enorm beschleunigt.
Corveys Prachtstück aber, die Kirche mit dem weltweit einmaligen Westwerk – ein der Basilika westlich vorgesetzter Raum und wegen seiner Türme aus Bruchsteinen aus der Ferne sichtbar – gehört schon längst nicht mehr der Fürstenfamilie. Viktors Vater hatte die Kirche 1977 dem Bistum Paderborn vermacht, das heute seine schützende Hand über die uralten Mauern hält.
Es war Karl der Große, der Ende des achten Jahrhunderts in jene Region vorgedrungen ist, in der heute die Bundesländer Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aneinanderstoßen. In blutigen Schlachten unterwarf er die dort lebenden heidnischen Sachsen und sicherte die Furten durch die Weser.
Zur Demonstration seiner Macht schwebte Karl dem Großen ein gewaltiges Kloster vor, in dem nicht mehr wie bei den Sachsen viele Götter zur Anbetung standen, sondern nur noch der eine christliche Gott. Eine Trutzburg des neuen Glaubens sollte es werden, ein irdisches Abbild des himmlischen Jerusalem. Zwei Vettern Karls des Großen gründeten Sachsens älteste Benediktinerabtei als Tochter des Benediktinerklosters Corbie an der Somme.
Privilegien für das Kloster
Karls Sohn Ludwig der Fromme stattete das Kloster 823 mit weitreichenden Privilegien wie der freien Abtwahl aus. Dies ließ das Kloster rasch wachsen. 836 holten die Mönche schließlich die Reliquien des heiligen Vitus aus Paris an die Weser – die sterblichen Überreste eines Heiligen, der heute zu den 14 Nothelfern zählt und noch immer Corveys Schutzpatron ist.
Die Lebensgeschichte des heiligen Vitus war für die Benediktiner in Corvey ein medialer Turbo bei der Missionierung der Sachsen und Slawen. Schließlich war Vitus bei seinem Märtyrertod gerade einmal sieben Jahre alt: ein Kind noch, das von einer Amme christlich erzogen und deshalb von seinem heidnischen Vater später gezwungen wurde, dem neuen Glauben wieder abzuschwören.
Löwen kuschelten mit Vitus
Zusammen mit seiner Amme und seinem Lehrer floh Vitus deshalb aus dem Elternhaus, ehe ihn die Häscher des römischen Kaisers und gnadenlosen Christenverfolgers Diokletian fassten und den Löwen zum Fraß vorwarfen. Die aber kuschelten angeblich lieber mit dem Knirps, statt ihn zu töten, sodass Diokletian ihn in siedendes Öl werfen ließ. Erst die folgende Enthauptung machte dem Leben des Kindes ein Ende.