Immer deutlicher belegen Aktenfunde, wie skrupellos die DDR mit Oppositionellen umging. Selbst vor Attentaten und Mordversuchen schreckte das SED-Regime nicht zurück, zeigt ein neues Buch der einstigen Bürgerrechtlerin Freya Klier.
Das Jahr 1976 gilt Historikern als Schlüsseljahr im Niedergang der DDR. 13 Jahre vor seinem Sturz im Vormonat des Mauerfalls verfügte Erich Honecker die Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann. Wenige Monate später verbrannte sich Pastor Oskar Brüsewitz öffentlich vor der Michaeliskirche in Zeitz aus Protest gegen die „Unterdrückung von Kindern und Jugendlichen“ an Schulen der DDR.
Beide Ereignisse lösten eine Protestwelle aus, die bis zum Herbst 1989 nie ganz abebbte. „Die Flammen loderten weiter“, kommentierte eine deutsche Wochenzeitung 30 Jahre später das Geschehen nach dem Freitod des Pastors. Erst 2006 entschuldigte sich das frühere SED-Parteiorgan „Neues Deutschland“, indem es nachträglich kritische Leserbriefe aus der Zeit nach der Brüsewitz-Tat veröffentlichte.
Honecker im Zenit der Macht
SED-Generalsekretär Honecker stand 1976 nach seiner Wahl zum Staatsratsvorsitzenden im Zenit der Macht – zumindest war das die subjektive Wahrnehmung der Parteioberen. „1976 erließ Erich Mielke, Honeckers Minister für Staatssicherheit, die berüchtigte Richtlinie 1/76, die Opposition gegen den SED-Alleinherrschaftsanspruch schon im Keim ersticken sollte“, sagt der Berliner Historiker Karsten Krampitz.
Der Buchautor hat sich in zahlreichen Publikationen mit dem „Krisenjahr“ 1976 beschäftigt. Schon damals zeichnete sich der Niedergang der DDR ab, gegen den sich die Genossen mit immer neuen, teils skurrilen Ideen zu stemmen versuchten: so etwa 1978 mit einem Gebräu namens „Kaffee-Mix“. Mit ihm sollte der Mangel an Rohkaffee kaschiert werden.
Gift an der Autotür
Um Einfälle war auch das Ministerium für Staatssicherheit nicht verlegen. Gehörte physische Gewalt noch bis Ende der 1960er Jahre zu seinem offen gezeigten Waffenarsenal, verlagerte das MfS seine Methoden mit der Richtlinie 1/76 zunehmend ins Verborgene, wobei an Autotüren anhaftende Gifte, fingierte Autounfälle und radioaktive Verstrahlungen erprobte Mittel im Kampf gegen Andersdenkende waren. Das belegt die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier in ihrem neuen, bei Herder erschienenen Buch „Unter mysteriösen Umständen“