Kardinal Woelki begrüßt Urteil

Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Das Erzbistum Köln soll einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Darauf angerechnet werden bereits von der Kirche an das Opfer ausbezahlte 25.000 Euro in Anerkennung des Leids, wie das Landgericht Köln am Dienstag entschied. Der 64-jährige Georg Menne hatte von der Diözese 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Auf einen von Richter Stephan Singbartl angeregten Vergleich konnten sich die beiden Seiten nicht einigen.

Klägeranwalt Eberhard Luetjohann ließ nach der Entscheidung offen, ob er in Berufung geht. Menne selbst wollte sich zunächst nicht äußern.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki begrüßte das Urteil. "Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat", sagte er. Das Erzbistum ergänzte, es übernehme für das erlittene Unrecht und Leid der Betroffenen institutionelle Mitverantwortung. Im konkreten Fall habe Woelki daher darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen. Auch der Vortrag des Klägers sei nicht bestritten worden. In der Verhandlung hatte der Anwalt des Erzbistums betont, in keinem vergleichbaren Fall sei ein mittlerer sechsstelliger Betrag gezahlt worden.

Der Sprecher der Betroffenengruppe "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, nannte die Entscheidung ein wichtiges Signal für Tausende ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland. Es gebe nun erstmals ein Urteil eines deutschen Gerichts, das einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Priester der katholischen Kirche eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgelds zuspreche. Die Kirche habe seit mehr als einem Jahrzehnt die Opfer hingehalten und mit symbolischen Zahlungen ruhiggestellt. Nun müsse sie angemessene Entschädigungen zahlen, forderte Katsch.

Menne soll in den 1970er Jahren mehr als 320 Mal von einem Priester missbraucht worden sein. Vorwürfe gegen den Geistlichen wurden dem Erzbistum 1980 sowie 2010 bekannt - er konnte dennoch viele Jahre weiter als Seelsorger arbeiten. Der Betroffene wirft der Erzdiözese daher Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor.

Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte am Dienstagabend, das Urteil unterstreiche, dass sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ein schreckliches Verbrechen sei. Zugleich verteidigte Generalsekretärin Beate Gilles das kirchliche Verfahren zur Anerkennung des Leids von Missbrauchsbetroffenen. Die freiwilligen finanziellen Leistungen seien für jene gedacht, die vor staatlichen Gerichten keine Ansprüche durchsetzen wollen oder können. Ausgangspunkt für die Zuerkennung von Leistungen sei, dass die Schilderungen der Betroffenen plausibel seien - ohne weitere Beweislast für sie. Die Leistungshöhe orientiere sich am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder, teils auch im sechsstelligen Bereich. Teil des Verfahrens sei auch, dass allen Betroffenen der Rechtsweg offen bleibe.

Über die Höhe der Kirchenzahlungen entscheidet seit 2021 die unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle wurden laut UKA aber mehr als 50.000 Euro gezahlt, mitunter auch mehr als 100.000 Euro. Viele Missbrauchsbetroffene kritisieren die Zahlungen als zu gering.

Michael Althaus & Andreas Otto/KNA

14.06.2023 - Kirche , Missbrauch , Urteil