Humorist vor 100 Jahren geboren

Loriot: Mit Ironie und Sprachwitz

Am Anfang stand ein kleines Männlein mit Knollennase. Es entsprang seiner Feder, er hegte und pflegte es, und es brachte ihm Glück: Feinsinnige Ironie und Sprachwitz, eine scharfe Beobachtungsgabe und ein untrügliches Gespür für Situationskomik, das waren Loriots Markenzeichen. Der Karikaturist, Autor, Regisseur und Schauspieler gilt bis heute als genialster Humorist deutscher Sprache.    

Bernhard Victor „Vicco“ Christoph Carl von Bülow wurde am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel als Spross einer preußischen Offiziers­familie geboren. Nach der Gymnasialzeit studierte er in Hamburg ab 1947  Malerei und Grafik. Er arbeitete ab 1950 als ­Cartoonist für den „Stern“. Seit dieser Zeit signierte er mit dem Künstlernamen „Loriot“, der französischen Bezeichnung für den Pirol, dem stolzen Wappenvogel seiner Familie. 

1954 erschien sein erster Cartoonband, ab 1967 folgten die ersten TV-Zeichentrickproduktionen. Loriot war der Vater von Wum und Wendelin, und Mitte der 70er stand er auch selbst vor der Kamera, an seiner Seite Evelyn Hamann als kongeniale Sketch-Partnerin. Loriots Sketche sind Klassiker: Wer kennt nicht die sanitäre ­Diskussion zwischen Herrn Müller-Lüdenscheid und Herrn Dr. Klöbner – beide in einer Badewanne sitzend –, die in den Fragen kulminierte, ob ein Wannenbad auch ohne Wasser statthaft sei und ob die Ente nun zu Wasser gelassen werden könne. 

Die Zuschauer waren Zeuge, wie verhängnisvoll sich die ungerechte Aufteilung des Desserts „Kosakenzipfel“ auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirken konnte. Sie durften zu Gast sein bei Familie Hoppenstedt, als Opa dem gemütlichen Weihnachtsfest durch seine zackige Marschmusik die besondere Weihe gab. Man begleitete die Dame des Hauses auf ihrem steinigen Weg zum Jodeldiplom und beobachtete, wie sie mit den Tücken der korrekten Aussprache des Holeri-di-­dödl-di (Zweites Futur bei Sonnenaufgang) zu kämpfen hatte. 

Unvergessen auch der glückliche Rentner Erwin Lottemann, nein, Lindemann, der mit seinem Lottogewinn von 500 000 Mark mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal eröffnen wollte … Die Zuschauer mussten erleben, welche Katastrophen eine Nudel bei der Formulierung eines Heirats­antrags auslösen konnte. Ferner stellte Loriot den ersten sprechenden Hund Bello vor, der sich leider nicht zu politischen Themen äußern durfte. 

Bei den Dreharbeiten war Loriot absoluter Perfektionist, der die Szenen zum Leidwesen seiner Kollegen so oft wiederholen ließ, bis auch das allerletzte Detail stimmte. 1988 hatte sein erster Kinofilm, „Ödipussi“, Premiere, 1991 folgte „Pappa ante portas“, eine präzise Schilderung der Tücken, die beim Eintritt in den gefährlichen Lebensabschnitt des Ruhestands drohen. Auch die hehre Opernkunst war nicht vor ihm sicher, er inszenierte „Martha“, den „Freischütz“ und natürlich Wagners „Ring“ – „an einem Abend“. 

Nicht zu vergessen seine Auftritte als ironischer Moderator bei der alljährlichen Berliner Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung. Es gibt wohl keine Ehrung, die ihm nicht zuteil wurde: Grimme-Preis, Goldene Kamera, Ernst-Lubitsch-Preis, Goldene Leinwand und natürlich das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik. Im Alter von 87 Jahren starb Loriot am 22. August 2011. Auch im Himmel wird man seinen Humor sicherlich sehr schätzen.

Michael Schmid

09.11.2023 - Deutschland , Historisches , Humor